Reise in innere Vorstellungswelten

Bonner Forscher wollen Studie starten, wie sich Menschen effektiver hypnotisieren lassen

Bonn. "Die Augenmuskulatur entspannt vollkommen. Die Lider lassen sich jetzt nicht mehr öffnen. Die Hand wird immer schwerer und schwerer. Der rechte Zeigefinger wird leicht und immer leichter..." Christian Hoppe trägt diese Sätze langsam und mit betont ruhiger Stimme vor. Die Wirkung bleibt nicht aus: Der Finger hebt sich wie von Zauberhand.

"Fast jeder kann sich in Hypnose versetzen lassen oder dies selbst bewirken", sagt der Psychologe an der Bonner Uniklinik für Epileptologie. Im Zustand vollkommener Entspannung kann es zu erstaunlichen Phänomenen kommen. Menschen versetzen sich in Tiere hinein und toben dann wie Affen.

Andere "verwandeln" sich Kraft ihrer Vorstellung in ein Brett und lassen sich stocksteif als Brücke auf zwei Stühle legen. Auch therapeutisch lässt sich dieser Trance-Zustand nutzen: Etliche Zahnärzte arbeiten bereits mit Hypnose, um ihre Patienten auf schonende Weise unempfindlich gegen Schmerz zu machen.

Hypnose kommt von "Hypnos", dem griechischen Gott des Schlafes. "Man kann in diesem Zustand entspannt und weitgehend gedankenfrei sein", berichtet Hoppe. "Die Situation ist schlafähnlich. Doch wenn man wirklich einschlafen würde, wäre der Zustand sofort vorbei."

In diesem Bewusstseinszustand ist sowohl die Ansprechbarkeit als auch die Konzentration stark erhöht. Hypnose ist eine uralte Methode. Berichte über kultische Handlungen oder Schamanismus lassen sich durchaus mit Selbst- oder Fremdsuggestion erklären. Bei der Hypnose geht es um die Versetzung in innere Vorstellungswelten, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Die Suggestion von einem Baum mit köstlichen Früchten führt dazu, dass Hypnotisierte tatsächlich in die Luft greifen als hingen dort reife Äpfel. "Die inneren Vorstellungen verdrängen die Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit", berichtet der Psychologe. Unter Hypnose kann man selbst bestimmte Zahlen ausblenden oder das Lesen wieder verlernen.

Ein typisches Experiment: Suggestion löscht die Zahl Sechs aus dem Gedächtnis. Lässt man dann Probanden ihre Finger zählen, kommen sie immer wieder zur Gesamtzahl elf - weil sie dann die Sechs überspringen. "Es ist sehr schwierig in Deutschland Hypnose als wirksames medizinisches Verfahren zu etablieren, da es nach wie vor viele Vorurteile dagegen gibt", sagt Hoppe.

Dabei ist ihre Wirksamkeit wissenschaftlich gut belegt. Der Einsatz der Hypnose etwa in der Psychotherapie ist gesetzlich geregelt und gehört zu den von den Krankenkassen anerkannten Leistungen. Sie lässt sich etwa gegen Depressionen, Suchtkrankheiten und bei Sprach- oder Schlafstörungen einsetzen.

Doch manch einer lässt sich abschrecken, weil er befürchtet, in diesem Zustand leicht missbraucht werden zu können: vom Mordauftrag, der angeblich im Trance-Zustand ausgeführt wird, bis zur Reinkarnation. "All dieses ist im Labor nicht bestätigt", so Hoppe. Tranceähnliche Zustände sind auch im Alltag sehr häufig: Ein Kind, das Autofahren spielt, blendet die Wirklichkeit komplett aus.

Monotones Autobahnfahren kann bei Erwachsenen eine ganz ähnliche Wirkung haben: Sie können sich hinterher an die Fahrt nicht erinnern, weil sie automatisch handelten und währenddessen in Vorstellungswelten fernab der Realität weilten. "Deshalb ist Hypnose nicht nur etwas für Experten. Jeder kann sich die Vorteile zu nutze machen", sagt Hoppe - etwa zur Entspannung, gegen Ängste oder Schmerzen.

Die Wissenschaftler rätseln noch, warum und wie Hypnose funktioniert. Die Versetzung in Trance ruft auch messbare körperliche Veränderungen hervor. Das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt, weniger Stresshormone werden ausgeschüttet. Durch moderne bildgebende Verfahren lassen sich auch spezifische Veränderungen der Gehirnaktivitäten nachweisen - etwa das Ausschalten von Stirnhirnfunktionen.

"Das Stirnhirn ist fürs Planen, kritische Denken und Problemlösen zuständig." Hoppe vermutet, dass Hypnose eng an Erinnerungsprozesse gekoppelt ist. "Sie hat im Gehirn sehr viel Ähnlichkeit mit Gedächtnisphänomenen."

ür eine Studie darüber, wie sich Menschen effektiver hypnotisieren lassen, sucht der Psychologe noch Probanden. "Die Teilnahme ist ungefährlich und nimmt eine Stunde in Anspruch." Nach der Hypnose werden die Teilnehmer zu ihren Erfahrungen befragt. Sie sollten weder neurologisch noch psychiatrisch erkrankt und zwischen 18 und 55 Jahren alt sein.

Anmeldung per E-Mail an Christian.Hoppe@ukb.uni-bonn.de

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