Training für die Reise zu Mond und Mars in Köln-Porz

In seinem neuen Labor will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt Risiken für Astronauten erforschen

Köln-Porz. Erst bis zum Mond, bald auch zum Mars: Immer weiter will der Mensch ins Universum vordringen. Doch je länger sich Astronauten in der Schwerelosigkeit aufhalten, desto extremer werden die körperlichen und psychischen Belastungen.

Sie leiden etwa an Kreislaufproblemen oder Muskel- und Knochenschwund und werden dadurch anfällig für Knochenbrüche und Verletzungen: Die Symptome ähneln denen älterer Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind. Aber auch die Psyche der Astronauten wird durch die räumliche Enge und die künstliche Umgebung stark beeinträchtigt: Ihre Leistungsfähigkeit nimmt ab, was Millionen Kilometer von der Erde entfernt zu fatalen Fehlern führen kann.

"Es gibt vielfältige gesundheitliche Beeinträchtigungen und Risiken im All. Um diese zu mindern oder auszuschalten, erforschen wir zunächst hier auf dem Boden ihre medizinischen Ursachen Denn wenn Astronauten Probleme haben, dann nur, weil wir sie auf der Erde noch nicht gelöst haben", erklärt Professor Rupert Gerzer, Leiter des Instituts für Luft- und Raummedizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Die neue DLR-Hightech-Forschungsanlage Envihab (englisch "environment" für Umwelt und lateinisch "habitat" für Lebensraum) soll dafür künftig die nötigen Rahmenbedingungen bieten. Ende September hat der Bau des 3 000 Quadratmeter-Komplexes auf dem DLR-Gelände in Köln-Porz begonnen.

Mit modernster Technik und viel Raum werden die Forscher darin unter anderem die Bedingungen im All wirklichkeitsnah simulieren können, um etwa die Ursachen für den Knochenschwund zu finden. "In der neuen Forschungsanlage können wir Probanden zum Beispiel für einige Zeit isolieren. Dabei dürfen sie nur im Bett liegen und bestimmte Nahrung zu sich nehmen. Für solche Versuche bietet Envihab endlich genug Raum."

Die gewonnenen Erkenntnisse nutzen auch den Menschen auf der Erde. "Die Muskeln und Knochen von Patienten, die zum Beispiel nach einer Operation lange bettlägerig sind, bauen ebenfalls ab", sagt Gerzer, der Envihab leiten wird. Astronauten können von Patienten auf der Erde lernen und umgekehrt. "Die Symptome der Raumfahrer unter Schwerelosigkeit sind oft vergleichbar mit denen chronisch Kranker, nur dass Astronauten gesund sind."

So habe man festgestellt, dass eine erhöhte Zufuhr und Einlagerung von Kochsalz den Abbau von Knochen fördert. Den Ausschlag für diese Erkenntnis gab ein typisches Verhalten von Astronauten unter Schwerelosigkeit: Sie würzen ihre Nahrung stärker als auf der Erde, da ihre Geschmacksnerven weniger empfindlich sind, und nehmen damit viel mehr Salz auf.

Das hatte nicht nur Einfluss auf den Wasserhaushalt. Es zeigte sich auch, dass die Salzeinlagerung den Knochenschwund fördern kann. Diesen Zusammenhang können die Forscher nun genauer untersuchen.

Auch Experimente zum Nutzen der Telemedizin soll es im Envihab geben. Auf der Erde übermitteln chronisch Kranke wichtige Daten, zum Beispiel ein EKG, von zu Hause aus per Handy an den Arzt. "Wichtig dabei ist, die übersendeten Informationen sinnvoll aufzuarbeiten, um dem Patienten gezielt und individuell zu helfen. Das ist zum Beispiel auch für Astronauten wichtig, die sich längere Zeit auf der Raumstation ISS aufhalten. So können die Ärzte von der Erde aus schnelle und richtige Diagnosen stellen", erklärt Gerzer.

Envihab bietet auch genug Raum für Experimente zur Stresstoleranz von Astronauten. "Denkbar ist, Probanden zu isolieren, über Tage wach zu halten und sie komplexe Probleme lösen zu lassen. Im All ist es wichtig, dass die Besatzung auch in einer Extremsituation Ruhe bewahrt."

Um möglichst vielfältige Lösungsansätze zu entwickeln, arbeiten die Envihab-Forscher nicht nur eng mit internationalen Hochschulen und Forschungszentren zusammen.

"Wir kooperieren auch eng mit Einrichtungen der Region, zum Beispiel der Universität Bonn oder der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg", so der künftige Leiter von Envihab. Mit der Universität Bonn gebe es bereits seit langem Kooperationen in der Biologie, der Ernährungswissenschaft und der Medizin.

Anwendungen in der Telemedizin und Kooperationen in der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Studiengang Technikjournalismus seien hingegen mit der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg geplant. Ende 2011 soll der Forschungsbetrieb in der neuen Anlage starten. Gerzer: "So kommen wir auch einer Reise zum Mars Stück für Stück näher."

ENVIHABDie neue Forschungsanlage ist auch besonders umweltfreundlich: Der Großteil ihres Energiebedarfs wird mit Solarenergie gedeckt. Zudem wird ein Drittel des Komplexes für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Kosten für Envihab liegen bei etwa 30 Millionen Euro. 13,65 Millionen trägt das Land Nordrhein-Westfalen, denn Envihab ist ein "Gärten der Technik"-Projekt in der Regionale 2010. Den Rest übernimmt das DLR.

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