Trophäenschau der Knochen-Jäger

Bonn soll 2006 zum Dorado für Paläoanthropologen werden: Der Forscher Friedemann Schrenk will im Landesmuseum die originalen Überreste unserer Urahnen aus aller Welt zusammentragen

Bonn. Die Wiege des Menschen steht in Afrika - darüber sind sich die Forscher inzwischen weitgehend einig. Doch die wenigen Fundstücke unserer Vorfahren sind fast überall verstreut. "Einige liegen in Pretoria und Johannesburg im Safe, andere in Nairobi", berichtet Professor Friedemann Schrenk, Paläoanthropologe am Frankfurter Forschungsinstitut Senckenberg.

Bonn möchte er deshalb zum Dorado für Knochenjäger machen: Im Rheinischen Landesmuseum will er möglichst viele Belege der Menschwerdung aus aller Welt zusammenführen. "Kein Forscher hat bisher alle Fundstücke zusammen gesehen", meint Schrenk im Gespräch mit dem GA.

"Die Aura des Originals ist unschlagbar. Das wird ein Weltereignis, das so nie wieder kommt", schwärmt der Wissenschaftler. Ein ehrgeiziger Plan, der im Jahr 2006 realisiert werden soll. Ein passendes Datum: Dann jährt sich der Fund des Neandertaler-Skeletts in der Nähe von Mettmann zum 150. Mal.

Auch die äthiopische "Lucy" möchte Schrenk nach Bonn holen, die als ältestes Fundstück galt, bis ihr der auf rund sechs Millionen Jahre datierte und im Jahr 2000 in Kenia gefundene Millennium-Mensch den Rang ablief.

"Die Fundstücke sind unbezahlbar", meint Schrenk, Versicherung und Polizeischutz für die Originale deshalb unabdingbar. Nach den Plänen des Forschers soll ein wissenschaftlicher Kongress die Ausstellung begleiten. Auch Laien können dann angesichts der Knochen als Zeugen unserer Herkunft Gänsehaut bekommen.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass dieses Vorhaben für den Forscher aus Frankfurt kein leichtes Vorhaben wird. Das liegt an der außerordentlichen Rarität dieser sehr alten Funde und dem Ehrgeiz vieler Wissenschaftler. "Es gibt mehr Forscher als Knochen", umschreibt Schrenk die Jagd nach den wenigen Überbleibseln.

Die Paläoanthropologen-Gemeinde gilt als heillos zerstritten. Der Mangel an Untersuchungsobjekten schürt offenbar umso mehr den persönlichen Ehrgeiz und die Missgunst. Friedemann Schrenk, einziger Deutscher mit einer Grabungserlaubnis in Afrika, arbeitet mit allen konkurrierenden Gruppen zusammen: "Ich bin der einzige, der mit niemandem überkreuz ist."

Unterstützung bekommt der populäre Wissenschaftler von dem Bonner Landtagsabgeordneten Bernhard von Grünberg. Wie so oft im Leben führte sie der Zufall zusammen: Von Grünberg - auf einer Studienreise in Afrika unterwegs - traf den Forscher in Karonga/Malawi. "Wir lernten uns in einer Bar kennen", berichtet der Abgeordnete. Dort stillte er seinen Durst während einer Pause, Schrenk ebenso.

Beide kamen ins Gespräch und waren sofort Feuer und Flamme für die gemeinsame Idee. "Die Ausstellung wäre nicht in diesem Stadium, wenn ich nicht Herrn von Grünberg getroffen hätte", meint Schrenk. Beide ziehen nun an einem Strang: Der Wissenschaftler sorgt dafür, dass möglichst viele Exponate nach Bonn kommen. Von Grünberg stellte den Kontakt zu Ministerpräsident Wolfgang Clement her: "Es gibt bereits Sponsorenstrukturen, die Ausstellung ist in Planung. Der Ministerpräsident und der Kultusminister sind damit befasst."

Seit rund 15 Jahren verbringt Schrenk mehrere Monate jährlich in Afrika und schürft nach den Fragmenten unserer Vorfahren. In Karonga im Norden Malawis leitet er die Grabungen. Mithilfe von Satellitenfotos und neuesten geologischen Methoden entdeckten er und sein Team dort das Unterkieferfragment eines robusten Australopithecinen und den Unterkiefer des ältesten Vertreters der Gattung Mensch, eines Homo Rudolfensis - etwa 2,5 Millionen Jahre alt.

Eine wissenschaftliche Sensation: Schrenk bewies damit, dass in dem langen Nord-Süd-Korridor zwischen den beiden Hauptgrabungsplätzen im südlichen und östlichen Afrika ebenfalls Hominiden gelebt haben, die eine Art Brückenfunktion übernehmen. Mit modernsten Methoden begibt sich das Grabungsteam in Nord-Malawi auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Anhand von Satellitenfotos suchen die Forscher nach geeigneten Sedimenten, die Knochen konservieren und aus jener Zeit stammen, während der die gesuchten Hominiden lebten.

In Karonga haben Verwitterung und Erosion entsprechende Schichten freigelegt. Ein Trupp von etwa 50 Mitarbeitern sucht Zentimeter für Zentimeter die Erdoberfläche ab. Ein mühsames Geschäft. Schrenk: "Normalerweise finden wir ein Fragment pro Quadratkilometer - etwa einen halben Zahn. Manchmal entdecken wir auch mehr, dort graben wir."

Der Frankfurter Wissenschaftler verspricht sich von der Bonner Ausstellung einen Schub für die Forschung. Paläoanthropologen teilen nämlich das schwere Los, jeder für sich weitgehend im Nebel zu stochern: "Wir haben fast nichts in Händen, um die Menschheitsgeschichte zu rekonstruieren. Von den Lebewesen, die wir als Reste finden, fehlen mehr als 90 Prozent." Deshalb sei es so wichtig, die raren "harten Beweise" in einer Gesamtschau zusammenzutragen.

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