Abteilung für Mongolistik und Tibetstudien Uni Bonn betreibt einzigartige Quellenforschung

BONN · In Tibet sehen die meisten vor allem ein Zentrum des Buddhismus und einen Ort der gelebten Religion. Ein Hauch dieses fremden und zugleich faszinierenden Landes umweht den, der die roten Türen zur Abteilung für Mongolistik und Tibetstudien im Hauptgebäude der Uni Bonn durchschreitet. Eine große zweiflügelige Tür mit original Beschlägen, wie sie in tibetischen Tempeln zu finden sind. Aber es ist auch eine Tür, hinter der angehende Tibetologen als Erstes lernen, dass das "Dach der Welt" nicht auf die populäre Figur des Dalai Lama reduziert werden kann.

 Kunstvolle Schriften: Ein Blockdruck, wie er in Tibet für buddhistische Texte verwendet wurde.

Kunstvolle Schriften: Ein Blockdruck, wie er in Tibet für buddhistische Texte verwendet wurde.

Foto: Andrea Künstle

"Tibet ist eine Kultur, die durch den Buddhismus geprägt ist, aber es ist auch eine Gesellschaft und ein Gemeinwesen mit einer faszinierenden politischen Geschichte und Sozialgeschichte", erklärt Professor Peter Schwieger, Leiter der Abteilung, die zu den neun Abteilungen des Instituts für Orient- und Asienwissenschaften gehört. Mongolistik und Tibetstudien können in Bonn im Rahmen des Bachelorstudiums Asienwissenschaften als Schwerpunkt mit den Sprachen Mongolisch und Tibetisch gewählt und mit einem Master vertieft werden.

Die Mongolistik wurde bereits im Jahr 1964 an der Universität Bonn etabliert. Ab dem Sommer wird sie von der Professorin Ines Stolpe aus Berlin vertreten. "Vermutlich wird sie eine stärkere Betonung auf die Gegenwart legen, während wir eher historisch-philologisch ausgelegt sind", so Schwieger, der die Tibetologie vertritt. Statt normaler Bücher stapeln sich daher hinter seinem Schreibtisch so genannte Pechas. Rechteckige, lose Textsammlungen, wie sie in Tibet typisch sind: Mit Blockdruck erstellt und in bunte Tücher gehüllt.

Das wichtigste Quellenmaterial der Abteilung befindet sich aber auf Schwiegers Computer: Handschriften, die aus der Verwaltung der früheren tibetischen Regierung übrig geblieben sind und von den Bonner Forschern im historischen Archiv der tibetischen Hauptstadt Lhasa digitalisiert wurden, damit sie im Internet öffentlich zugänglich sind. "Diese Dokumente geben Aufschluss über die politische und soziale Geschichte, wie sie die weitgehend religiös geprägte historiographische Literatur nicht bietet. Zum Beispiel über die sozialen Verhältnisse, zwischen denen, die Land bebaut haben, und denen, die das Land besaßen", so Schwieger.

Zu Recht schwingt stets Stolz in der Stimme des Tibetologen mit, denn die Bonner Abteilung ist weltweit die einzige, die diese zum Teil schwer lesbaren Handschriften erschließt. "Diese Quellen sind aber enorm wichtig, wenn man verstehen will, warum Tibet heute Teil der Volksrepublik China ist, also 1951 von der so genannten Volksbefreiungsarmee gewaltsam besetzt wurde", erklärt Schwieger. Mit Materialien wie diesen betreibt die Abteilung daher drei umfangreiche Forschungsprogramme, zu der auch die Digitalisierung eines großen Bildarchivs zur materiellen Kultur Tibets und der Mongolei gehört.

Die Studierenden lernen daher nicht nur die tibetische Umgangssprache, sondern auch die Schriftsprache, wie sie in Urkunden und Akten der alten tibetischen Administration verwendet wurde. Mit drei Mitarbeitern und einer Handvoll Studenten sei die Tibetologie an der Uni Bonn zwar ein nur kleiner Bereich, aber groß im Gegenstand, so Schwieger. "Denn Gegenstand ist der ganze Raum, in der die tibetische Sprache gesprochen wird und die tibetische Kultur verbreitet ist. Und der ist in der Längsachse so groß wie die Entfernung von der deutsch-polnischen Grenze bis Gibraltar, in der Breite von der Nordsee bis nach Italien".

Mit neuem Quellenmaterial aus Tibet kann die Abteilung aus politischen Gründen derzeit allerdings nicht rechnen. "Wir haben noch genügend Materialien zur Aufarbeitung, aber ich bin auch zuversichtlich, dass irgendwann die Archive wieder geöffnet werden", erklärt Schwieger. Im Gegensatz dazu wird die Bonner Mongolistik sogar von der Mongolei mitfinanziert, da es der einzige Lehrstuhl für dieses Fach in ganz Deutschland ist. "Eine besondere Aufgabe wird es daher zukünftig sein, die internationale Kooperation mit den Kollegen in der Mongolei zu stärken, da dort ein großes Interesse daran besteht", so der Professor.

Info:

Die Abteilung für Mongolistik und Tibetstudien ist eine von insgesamt acht Abteilungen des Instituts für Orient- und Asienwissenschaften. Mongolistik und Tibetstudien können in Bonn im Rahmen des BA-Studiums als Schwerpunkt mit den Sprachen Mongolisch und Tibetisch gewählt werden. Im MA-Studium bietet die Abteilung einen eigenen Masterstudiengang an.

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