Bonner Linguist Viele E-Mails von Studenten an Professoren sind unangemessen

BONN · Aus der WG-Küche, zwischen zwei Seminaren oder von der Unifete schnell eine E-Mail an den "Prof" schreiben? So einfach ist es dann doch nicht. Wenn Studenten E-Mails an ihre Professoren verfassen, kann einiges schief gehen.

 "Hallöchen Professor": Der Sprachwissenschaftler Jan Seifert hat E-Mails analysiert, die Studenten an ihre Dozenten schreiben.

"Hallöchen Professor": Der Sprachwissenschaftler Jan Seifert hat E-Mails analysiert, die Studenten an ihre Dozenten schreiben.

Foto: dpa

Das hat Jan Seifert herausgefunden. Der Linguist am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Uni Bonn hat für seinen kürzlich erschienenen wissenschaftlichen Aufsatz "Nähe und Distanz in studentischen E-Mails" rund 500 Nachrichten von Studenten durchforstet und festgestellt: Vielen fehlt Routine, wenn sie E-Mails an ihre Professoren schreiben.

"Die Idee zu dem Aufsatz entstand im Kollegenkreis", sagt der Hochschuldozent. "Wir bekommen alle hin und wieder E-Mails, die grob unangemessen sind", erklärt der 42-Jährige. Vor allem Studienanfängern falle das Formulieren in einer "hierarchisch gegliederten Kommunikationssituation" schwer.

Ihre E-Mails seien häufig zu umgangssprachlich, gespickt mit Formulierungen wie "Liebe Grüße" oder zu hochgestochen à la "hochachtungsvoll" oder "ergebenst". Beide Varianten würden von den Studenten auch bewusst als Strategie benutzt, erklärt Seifert. Gerade wenn es um Versäumnisse oder Bitten gehe, neigten die Studenten dazu, sich besonders gespreizt auszudrücken, wie etwa in diesem Beispiel:

  • "Aufgrund einiger Komplikationen bei der Modulbelegung, wollte ich in Erfahrung bringen, ob ich ohne Probleme einen Gruppenwechsel vollziehen kann?"

Die Umgangssprache werde dagegen oft genutzt, um Hilflosigkeit zu inszenieren. Extreme Ausreißer seien aber selten, sagt Seifert. Sein Lieblingsbeispiel:

  • "Betreff: arghh! Guten Abend. Haben Sie von meiner Freundin die nachricht bekommen dass mein zug ausgefallen ist? Ich stand gerade im wald mit dem ollen ding. Ich hoffe Sie haben mich heute nicht zu sehr vermisst;) wenn sie brauchen kann ich ihnen einen attest besorgen.. aber eigentlich war ich nicht krank. Lg"

Auch inhaltlich sollten manche Studenten ihre E-Mails überdenken. Wenn etwa von "krampfartigen Menstruationsbeschwerden oder Durchfall" die Rede sei. Gründe für eine Entschuldigung anzugeben, sei ansonsten richtig, "weil man sie wohl sonst nicht akzeptieren würde", erklärt Seifert.

Ein triftiger Grund für die inadäquaten Formulierungen sei insbesondere die fehlende Übung, so der Linguist. Viele Studenten hätten bis zum Beginn ihres Studiums per E-Mail ansonsten nur mit ihren Freunden kommuniziert. Dabei kann man schon bei der Anrede viel falsch machen.

So ist Seifert auf eine E-Mail gestoßen, in der ein Student seinen Dozenten gar mit "Hallöchen" anschreibt. "Sehr geehrte(r)" sei dagegen eine gängige und normale Anrede, sagt Seifert. "Es gibt viele Fallstricke, so dass man es den Studierenden nicht zum Vorwurf machen kann, wenn sie sich darin verfangen", räumt Seifert ein.

Um virtuelle Nachrichten an Professoren zu optimieren, lohne es sich nicht unbedingt, Ratgeber zum Thema zu lesen. "Die widersprechen sich teilweise", erklärt der Wissenschaftler. Auch Dozenten eigneten sich nicht zwangsläufig als Vorbilder, warnt der 42-Jährige.

"Es gibt zwar Kollegen, die freundlich und höflich schreiben und eine E-Mail wie einen Brief formulieren, aber andere antworten nur ganz knapp und setzen ihr Kürzel drunter." Manche E-Mails von Dozenten seien außerdem voller Tippfehler - vielleicht auch mal eine Studie wert.

"Der beste Ratschlag ist", resümiert Seifert, "höflich, freundlich und einfach ganz normal zu schreiben." Was im Uni-Betrieb also womöglich noch fehlt? Eine Vorlesung zum adäquaten E-Mail-Verkehr mit dem "Prof".

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