"Wir machen uns nicht zum Fürsprecher"

Bonns Uni-Rektor Klaus Borchard sieht die Voraussetzungen für Studiengebühren nicht erfüllt

Bonn. Mit Professor Klaus Borchard, Rektor der Bonner Uni und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), sprachen Johannes Seiler und Wolfgang Pichler.

General-Anzeiger: Was ist bei den Beratungen der HRK herausgekommen?

Borchard: Das ist vertagt. Das wird erst wieder im Februar beraten werden, weil die Meinungen so unterschiedlich sind.

GA: Die Bonner Jusos kritisieren, dass die HRK bereits ab dem ersten Semester Gebühren erheben will. Trifft das zu?

Borchard: In der Diskussion ist im Moment alles oder nichts.

GA: Wann werden die ersten Studiengebühren kommen?

Borchard: Das weiß der Himmel. Das Terrain ist ideologisch so vermint, dass in dieser Legislaturperiode da keiner mehr rangehen wird.

GA: Können sich Hochschulen auf Dauer ohne Gebühren überhaupt noch finanzieren?

Borchard: Unser Bildungwesen wird - so wie es jetzt ist - bald nicht mehr zu finanzieren sein. Die öffentlichen Kassen werden immer leerer und die privaten immer voller. Man wird um eine private Beteiligung der Studierenden an den Kosten nicht herumkommen.

GA: Sollen Gebühren die desolaten Finanzen der Hochschulen verbessern oder Studenten schlicht abschrecken?

Borchard: Die Hochschulrektorenkonferenz hat 1996 zwei wichtige Bedingungen zu Studiengebühren gestellt. Das Geld muss bei den Hochschulen ankommen, und wir brauchen eine deutlich bessere individuelle Studienfinanzierung. Alle BAföG-Reformen, die großzügig versprochen wurden, sind in Ansätzen stecken geblieben. Es kommen heute viel zu wenige in den Genuss der Studienförderung.

GA: Reichen 1 000 Mark pro Semester und Student für die Sanierung der Hochschulen aus? Unis im Ausland verlangen deutlich mehr.

Borchard: Es gibt seriöse Schätzungen, dass dadurch den Hochschulen etwa 1,8 bis zwei Milliarden Mark zufließen würden. Wenn in Bonn die Hälfte der Studierenden Gebühren zahlen würden, dann hätten wir - selbst bei nur 1 000 Mark jährlich - zusätzlich 20 Millionen Mark. Das wäre eine erhebliche Verbesserung. Derzeit bekommen wir nur zehn Millionen Mark für die Sanierung - bei einem Gesamtbedarf von 560 Millionen Mark.

GA: Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wollen ein Studienkontenmodell: Ab 2004 sollen 1 000 Mark pro Semester fällig werden, wenn die doppelte Regelstudienzeit überschritten wird.

Borchard: Das Modell ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, bleibt aber Augenwischerei, solange es bei den Studienkonten nicht um reales Geld, sondern um eine virtuelle Finanzierung geht. Dass man das Guthaben - wenn man schnell genug ist - auch in einem Zweitstudium sozusagen abstudieren kann, ist sogar kontraproduktiv: Die Hochschulen kriegen Geld nur dann, wenn die Leute lange studieren und für ihre Weiterbildungsangebote gar nichts, solange die Konten noch nicht abstudiert sind. Besser wären sozial gestaffelte Studiengutscheine, für die ab dem ersten Semester gezahlt werden müsste. Wirklich Bedürftige sollten sie bis zu einer bestimmten Semesterzahl sogar kostenlos erhalten. Das wäre für die Hochschulen ein viel besserer Anreiz.

GA: Will die HRK jetzt, dass jede Hochschule ihre Wünsche vorbringt?

Borchard: Nein, die Hochschulen diskutieren natürlich darüber, bringen aber nicht einzelne Wünsche vor. Die Kultusministerkonferenz hatte im Mai beschlossen, Studiengebühren über Staatsverträge zu regeln. Dazu ist es bisher nicht gekommen. Wir werden an den Hochschulen nicht etwas fordern, worüber sich nicht einmal die Kultusminister einigen können.

GA: Ihre private Meinung?

Borchard: Am liebsten wäre mir die völlige Freigabe. Ich kann mir auch vorstellen, dass Top-Studiengänge mehr kosten als andere. Das würde aber erhebliche Änderungen des Hochschulrahmenrechts voraussetzen, weil alle dafür dieselben Rahmenbedingungen brauchen. Eine absolute Liberalisierung - wie bereits an amerikanischen Hochschulen - wäre das Ziel, wenn man den Wettbewerb ernst nimmt. Fraglich, ob es je dazu kommt.

GA: Gibt es Vorschläge der Bonner Uni zu einem bestimmten Modell?

Borchard: Nein, wir haben bisher keine Vorschläge entwickelt und wir werden uns auch davor hüten - weil die Voraussetzungen für Studiengebühren einfach nicht erfüllt sind. Wir werden uns nicht zum Fürsprecher machen, solange die individuelle Studienförderung so desolat ist.

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