Autonomie der Hochschule Zwischen Freiheit und Zweck

BONN · An der Bonner Universität diskutieren Wissenschaftler über den Sinn ihrer Arbeit und die Autonomie der Hochschule.

 Um "Die Zukunft der Universität" drehte sich ein Workshop im Festsaal des Hauptgebäudes.

Um "Die Zukunft der Universität" drehte sich ein Workshop im Festsaal des Hauptgebäudes.

Foto: Universität Bonn

Von einem "intensiven Dialogprozess" zum sogenannten Hochschulzukunftsgesetz schwärmte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze bei dessen Einbringung im April. "Zahlreiche gute Anregungen" hätten nach Anhörung der Hochschulen und Verbände in den Regierungsentwurf aufgenommen, Missverständnisse ausgeräumt werden können. "Mit dieser Reform bleiben wir in punkto Hochschulautonomie die Nummer eins unter allen Bundesländern."

Hochschullehrer sehen das offenbar etwas anders. Der Regierungsentwurf sei nicht zukunftsweisend, erhöhe die Regelungsdichte, baue ineffiziente Bürokratie aus und schränke die Eigenverantwortung der Universitäten ein, erklärte Professorin Ursula Gather, Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesrektorenkonferenz, vor gut zwei Wochen.

Wohl nicht ganz zufällig beschäftigte sich nun auch die Bonner Universität mit der "Autonomie der Hochschule". Doch auch bei dem Workshop "Die Zukunft der Universität - Denkanstöße" am Montagnachmittag im Festsaal der Universität herrschte nicht nur Einigkeit. Viereinhalb Stunden lang gingen Referenten und Diskussionsteilnehmer der Frage nach, wie sich die gesellschaftliche Aufgabe der Wissenschaft und die Autonomie der Hochschulen wohl zueinander verhalten.

Genüsslich nahm da Kommunikationswissenschaftler Otfried Jarren die Sprache der Politik auseinander, zitierte etwa, die Forschung solle sich "auf Leitmärkte konzentrieren" ("Diesen Begriff kannte ich noch nicht"), beanstandete, die Politik argumentiere mit gesellschaftlichen Anforderungen, obwohl sie doch politische meine, etwa, wenn sie Nachhaltigkeit verspreche. "Aber hat das mit Wissenschaft und Forschung im Kern zu tun?", fragte Jarren. Müsse Wissenschaft wirklich "dem Lande dienlich" sein?

Ähnlich die Stoßrichtung des Soziologen Hans-Georg Soeffner, in seinem nach eigenen Worten "riskanten Überblick" über die Wissenschaftsgeschichte der vergangenen 2500 Jahre. Moderne Wissenschaft fuße auf der griechischen Akademie und zeichne sich dadurch aus, dass sie die Sinnfrage nicht zu beantworten wünsche. Sie sei keine Nachfolgerin der Religion, mehre nicht das Glück der Menschheit - "oder der Forscher".

Derzeit befinde man sich aber in einer "merkwürdigen Phase", in der die eigentlich unabhängige Wissenschaft unter politische Vorzeichen gestellt werde. Wenn die Wissenschaft aber als Zweck betrieben werde und nicht mehr als Mittel, dann sei sie eine Interessengruppe von vielen.

Der Soziologe formulierte drei funktionale Paradoxien der Wissenschaft: Der gesellschaftliche Sinn der Wissenschaft dürfe und könne nicht durch die Gesellschaft definiert werden; der gesellschaftliche Nutzen der Wissenschaft bestehe in ihrer Nutzenneutralität; ihr gesellschaftlicher Zweck liege in ihrer Zweckfreiheit. So könne sie Leistungen erbringen, Neues entdecken, bislang nicht Gedachtes denken, Fantasie entfalten. "Dafür hat sich die Gesellschaft Wissenschaft geleistet."

Uwe Schneidewind, Professor für "Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit", setzte einen etwas anderen Akzent. Wissenschaftler könnten sich durchaus dazu bekennen, Teil der Gesellschaft zu sein, sagte er. Ein Problem sei jedoch: Wissenschaftliche Meriten ließen sich mit sozial angepassten Technologien nicht verdienen. "Denken Sie an die armen Chemiker, die an Molekülketten noch ein paar Moleküle anhängen, einfach, weil's geht und auf dem Weg etliche Veröffentlichungen liegen."

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