Buchtipp Wolf Schneider über die Zukunft der Menschheit

Stéphane Hessels „Empört Euch!“ könnte Wolf Schneider als Vorbild für sein jetzt erschienenes Bändchen „Denkt endlich an die Enkel! Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist“ gedient haben.

Der Stuhl des Praeceptor Germaniae ist seit Helmut Schmidts Tod am 10. November 2015 vakant. Wer könnte sich auch anmaßen, mit der Autorität des ehemaligen Über-Politikers und der Weisheit des Alters – Schmidt wurde 96 – den Menschen die Welt zu erklären? Schmidt ist als Lehrmeister Deutschlands unersetzbar. Auftritt Wolf Schneider. Der in Erfurt geborene Publizist und Buchautor tritt mit der Kompetenz des ehemaligen Über-Journalisten und, ja, der Weisheit des Alters – Schneider ist 94 – jetzt das Erbe Schmidts an.

Mit einem Unterschied: Schneider, der bei „Süddeutscher Zeitung“, „Stern“, „Welt“, NDR und an der Hamburger Journalistenschule führende Positionen innehatte und sich als Sachwalter der deutschen Sprache große Verdienste erworben hat, tritt nicht als Welterklärer, sondern als Warner auf. Kassandra und Greta Thunberg lassen grüßen. Und Stéphane Hessel. Dessen Buch „Empört Euch!“ (2010), unter anderem eine Polemik gegen den entfesselten Finanzkapitalismus, könnte Schneider als Vorbild für sein jetzt erschienenes Bändchen „Denkt endlich an die Enkel! Eine letzte Warnung, bevor alles zu spät ist“ (Rowohlt, 79 S., acht Euro) gedient haben.

Lust am Luxus

Der Autor hat das Buch seinen 14 Enkeln und Urenkeln gewidmet, er hat mit den zwölf Kapiteln aber das ganze Volk im Blick. Es beginnt mit der Lust am Luxus und mit der aus Schneiders Sicht damit programmierten Lust am Untergang, und es endet mit der „Kraft des Entsetzens“. Dazwischen geißelt Schneider unsere „Heilige Kuh auf vier Rädern“ und das ungehemmte Bevölkerungswachstum. Er beklagt schwindende Ressourcen und polemisiert gegen Verschwendung und Umweltverschmutzung. Nachhaltigkeit, glaubt er, lügen wir uns vor. Wachstum beten wir an, und vom maßlosen Tourismus wollen wir nicht lassen, setzt er nach. Das Kapitel „Was uns droht“ eröffnet er mit den Worten: „Krieg natürlich!“ – der „Endkampf ums Essen, ums Trinken, um Rohstoffe, um den letzten freien Raum“.

Schneiders Engagement und sein leidenschaftlicher Ton lassen keinen Leser gleichgültig. Das Thema „Wie geht es mit der Menschheit weiter?“ beschäftigt ihn seit rund 60 Jahren. Dabei muss er sich mitunter gefühlt haben wie Sisyphus. Die durchschlagende Wirkungslosigkeit vieler seiner warnenden Worte hat seinen Aufklärungsfuror nie erlahmen lassen. 1966 erschien in der „Süddeutschen Zeitung“ Schneiders Leitartikel „Tod dem Verbrennungsmotor“. Und er brennt noch immer.

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