Bestände stark geschrumpft WWF-Report: 60-Prozent-Rückgang bei Tausenden Wirbeltieren

Berlin · Zum Zustand der Erde liefert der WWF seit 1998 regelmäßig eine Art Fieberkurve. Als Maßstab dienen die Wirbeltiere. Lange sah es nicht gut aus - zeichnet sich nun eine Trendumkehr ab?

 Die Bestände vieler Wirbeltierarten gehen zurück - zum Beispiel die des Störs.

Die Bestände vieler Wirbeltierarten gehen zurück - zum Beispiel die des Störs.

Foto: Patrick Pleul

Die Bestände zahlreicher Wirbeltierarten auf der Erde sind einer großen Untersuchung zufolge in den vergangenen Jahrzehnten um mehr als die Hälfte geschrumpft.

Der Rückgang zwischen 1970 und 2014 betrage im Schnitt 60 Prozent, heißt es im Living Planet Report 2018 der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London, der in Berlin vorgestellt wurde. Damit hat sich der Wert seit der vergangenen Ausgabe von 2016 zwar um weitere zwei Prozentpunkte verschlechtert, im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren fällt der Schwund aber etwas schwächer aus.

Als Beispiele für Tiere, deren Bestände schrumpfen, nannte WWF-Experte Günter Mitlacher etwa den Irawadi-Delfin, die Feldlerche, das Rebhuhn und den Stör. Hierzulande sind laut WWF durch "monotone Agrarlandschaften" vor allem Wiesenvögel, Frösche, Wildbienen und Schmetterlinge betroffen. Der Report selbst gibt allerdings zur Entwicklung bei Insekten keine Auskunft. Er beruht auf Daten von rund 4000 Säugetier-, Vögel-, Fisch-, Reptilien- und Amphibienarten weltweit, untersucht wurden 16.700 Wirbeltier-Populationen.

Vor allem der menschliche Konsum sei der Treiber hinter der Zerstörung von Lebensräumen, sagte Jörg-Andreas Krüger vom WWF in Berlin. Die Folgen des deutschen Lebensstils bekämen oftmals Regionen wie Südamerika, Afrika und Asien zu spüren. Zum Beispiel, indem dort Wälder abgeholzt und Flüsse verschmutzt werden. "Unser Lebensstil ist wie Kettenrauchen und Komasaufen auf Kosten des Planeten", so Krüger.

In Zahlen drücken das die Autoren des Reports so aus: Der menschliche Verbrauch an natürlichen Ressourcen liege jährlich 70 Prozent über der Menge, die sich im gleichen Zeitraum wieder regenerieren könne. Die Menschen lebten so, als hätten sie mehr als eine Erde zur Verfügung. Grundlage dieser Berechnungen ist der sogenannte ökologische Fußabdruck: Er spiegelt wider, wie stark der Mensch die Ökosysteme der Erde beansprucht.

Unter dem Strich ist laut WWF ein neuer Tiefpunkt beim weltweiten ökologischen Gesundheitszustand erreicht. Die Experten betonten aber auch, dass die Trendwende noch machbar sei. "Das ist kein Weltuntergangsszenario", sagte Krüger. Wichtige Schritte seien vorgedacht, etwa in den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und im Pariser Klimaschutzabkommen. Diese Ziele müssten bis 2030 aber auch umgesetzt werden, die Weichen dazu sollten laut WWF bald gestellt werden. "Wir können nicht noch einmal zehn Jahre warten", sagte Krüger.

Verschlechtern sich die Perspektiven weiter, so sei mit verstärkter Abwanderung von Menschen aus Afrika in Richtung Europa und aus Mittel- nach Nordamerika zu rechnen, sagte Mitlacher. Er rechnet deshalb mit wachsendem Druck der Menschen, die Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu gehöre der Schutz der Ökosysteme.

Der Report habe 3268 Einzelquellen zusammengefasst, darunter etwa lange Monitoringprogramme von Forschern und "Citizen Science" Projekte, bei denen Laien Tiere zählen, hieß es. Es gibt weltweit aber auch mehrere Regionen, aus denen nur wenige Daten bekannt sind.

Experten mehrerer deutscher Wissenschaftsakademien hatten erst vor wenigen Tagen Sofortmaßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt in der deutschen Agrarlandschaft empfohlen. Zur Finanzierung solle die anstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik genutzt werden, hieß es. Ein starker Rückgang bei vielen Artengruppen in der Agrarlandschaft gelte als belegt, gleichwohl gebe es bisher kein offizielles und einheitliches Monitoring der biologischen Vielfalt.

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