Gerichte mit wenig Zutaten Ganz schlicht

Ein neuer Stil macht in der Küche Karriere: Gerichte, die aus ganz wenigen Zutaten bereitet werden. Der Trend reicht bis in die Spitzengastronomie.

 Porträt Thomas Imbusch

Porträt Thomas Imbusch

Foto: Patrikiou

Wer im Hamburger Off Club in den vergangenen Jahren „Das Menü“ bestellte, der lernte dabei auch stets seinen Schöpfer Thomas Imbusch kennen. Er servierte seine Gerichte immer wieder selbst und erklärte seinem Gast, was er sich dabei gedacht hatte. Erklärungsbedürftig ist es zweifellos auch für erfahrene Feinschmecker, wenn sich auf dem Teller lediglich drei Stücke roher Zander, drei geröstete Haselnüsse, drei fermentierte Karottenscheiben und ein wenig Petersilienöl finden.

Die Basis für diese Reduktion sei gewissermaßen eine„Produktarroganz“, erläutert der Koch, der sich den Fisch lebend aus einer nahen Aquakultur liefern lässt und persönlich nach der japanischen Ike-Jime-Methode tötet, um das Fleisch vor Stoffwechselprodukten zu schützen. Wer den unverfälschten Geschmack genießt, dem erschließt sich unmittelbar, dass weitere flankierende Elemente hier nur stören würden.

Thomas Imbusch pflegte einst selbst einen kleinteiligen Küchenstil. Als aufstrebender Jungkoch mit Lehrmeistern wie Christian Bau setzte er zunächst auf die in der Sterneküche typischen Gericht- und Menüstrukturen. Dann lernte er Tim Mälzer kennen, der seinen Blick auf das Kochen grundlegend veränderte: „Die Bekanntschaft mit Tim war für mich ungemein wichtig, weil er nichts mit Hochküche zu tun und mir gezeigt hat, dass viele Dinge darin zwar einen optischen, aber keinen kulinarischen Mehrwert bringen.“

Der entscheidende Anstoß zur Entwicklung eines eigenen Stils kam dann auf einer Japanreise, die Imbusch zusammen mit Mälzer unternahm. Ein 106-Jähriger Koch servierte dem Besuch aus Deutschland eine Portion Gyoza mit einer Füllung aus Enteninnereien und einer tief reduzierten Soße. „Das war das Abgefahrenste, was ich je gegessen habe. Bis dahin hatte ich gedacht, ich könnte kochen. Aber in Wirklichkeit hatte ich nie verstanden, worum es geht“, bekennt der Küchenchef.

Auf der Basis dieses Erlebnisses erfand Imbusch seine „Schlichte Küche“, wie er sie nennt. Wenn er ein neues Gericht entwickelt, fragt er sich heute nicht mehr, welche Elemente noch auf den Teller gehören, sondern, welche er weglassen könnte. „Habe ich einen Gang fertig, lasse ich ihn meine Brigade probieren. Gerade weil meine Köche nicht aus der Sterneküche kommen, hilft mir das sehr dabei, die überflüssigen Bestandteile eines Gerichts zu finden, auf die ich dann auch konsequent verzichte.“

Was bei einem solchen Verfahren, das Imbusch jedem Kollegen empfiehlt, am Ende übrig bleibt? Zum Beispiel zwei große Stücke Lammrücken, die der Koch auf dem Holzkohlegrill so punktgenau gart und mit einem geschmackstiefen Lammfond umgibt, dass der Hauptgang trotz seiner Konzentration auf das Hautprodukt extrem vielschichtig erscheint. Einzige Begleiter: ein paar gedörrte Tomaten und ein Klecks Kaperngel. „Fast könnte man darauf auch noch verzichten“, urteilt Imbusch, der sich für derartige Gerichte die Formel „Fleisch mit Soße“ ausgedacht hat.

Der Koch weiß, dass seine Kreationen nur funktionieren, wenn wirklich alles stimmt. Doch war er bis vor Kurzem einer Ausnahmen, die nach dieser Philosophie zu Werke gingen, breitet sich der Trend zur „schlichten Küche“ derzeit aus. In seinem aktuellen Kochbuch „Die Küche“ setzt Imbuschs Mentor Tim Mälzer ebenfalls auf übersichtliche Zutatenlisten. Die Bände der Reihe „Das einfachste Kochbuch der Welt“ des Franzosen Jean-François Mallet zählen zu den derzeit erfolgreichsten Kochbüchern. Sogar Jamie Oliver setzt neuerdings auf eine „5-Zutaten-Küche“.

Natürlich kann man auch auf eigene Faust Experimente mit einer schlichten Küche unternehmen. Thomas Imbusch, der in Hamburg bald sein eigenes Restaurant eröffnen wird, rät, sich dabei auf das eigentliche Ziel des Tellers zu konzentrieren: „Um ein Gericht sinnvoll auf seine Essenz zu reduzieren, sollte man sich darüber klarwerden, welchen Effekt man erzielen möchte. Dann sollte man es zubereiten und selber essen. Alles, was noch auf dem Teller ist, obwohl der Effekt schon erreicht ist, kann gestrichen werden.“

Nach kurzem Nachdenken fügt er hinzu: „Die Entwicklung eines Gerichts mit drei Elementen kann aufwendiger sein als die eines Tellers mit 30. Je einfacher man isst, desto perfekter muss das Essen zubereitet sein.“ Ganz so simpel, wie es die Kochbuchtitel versprechen, ist also auch die Sache mit der Einfachheit nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Mit zeitgemäßer Leichtigkeit
Mein Gericht: Robert Bösel Mit zeitgemäßer Leichtigkeit
Unkopierbar im Rest der Welt
Mein Wein: Riesling Kabinett vom Mittelrhein Unkopierbar im Rest der Welt
Aus dem Ressort