Familien-Kolumne „Kinderkram“ Auf dem besten Weg zur Straßenmusikantin

Bonn · Musikalische Früherziehung, Turnen oder doch Wassergewöhnung? Gar nicht so einfach, das Richtige für das eigene Kind auszuwählen. Die Erfahrung lehrt aber, dass weniger meist mehr ist – und am Ende Kinder sowieso selbst die beste Entscheidung treffen.

 Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Foto: GA/ivector - stock.adobe.com

Eigentlich bin ich ja strikt. Weihnachtsmusik gibt es bei uns zu Hause erst ab dem ersten Adventswochenende. Doch, ich muss gestehen, in diesem Jahr habe ich eine Ausnahme von der Regel gemacht. Als ich unsere jüngere Tochter vor einem großen Zettel und umgeben von vielen, fein säuberlich ausgeschnittenen Bildern am Küchentisch sitzen sah, musste es einfach sein. Und so saßen wir dann beide da, sie schrieb und bastelte fleißig an ihrem Wunschzettel für das Christkind, ich guckte zu, neben uns flackerten Kerzen und uns umhüllten Weihnachtslieder. Ein schöner, entspannter Moment am Ende einer wieder einmal viel zu turbulenten Woche. „Ich liebe Weihnachten“, verkündete meine Tochter, und ich kann ihr da nur beipflichten.

Doch halt. Ehrlicherweise war es dann doch nicht der erste Augenblick, in dem in diesem Herbst Weihnachtsmelodien in unserem Haus erklangen. Unsere große Tochter probt nämlich schon seit Wochen mit dem Schulchor für das Weihnachtskonzert ihrer Schule und trällert beinahe ununterbrochen zu Hause weiter. Seit Anfang November stimmt ihre kleine Schwester mit ein, denn beide üben zusätzlich für das Adventskonzert in der Kirche. Und auch auf Gitarre und Querflöte mischen sich zunehmend weihnachtliche Klänge in die heimischen Übungen. Es gibt also nicht wirklich ein Entrinnen.

Ich finde es schön, dass unsere Töchter die Musik für sich entdeckt haben und jede für sich ein passendes Instrument gefunden hat – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Als sie kleiner waren, fand ich es nämlich gar nicht so leicht, aus der Fülle an frühkindlichen Angeboten, das Richtige für sie herauszusuchen. Lieber die musischen Talente fördern oder doch besser ihre Sportlichkeit? Wenn dann auch noch die Mütter ihrer Freundinnen mit ganz neuen Vorschlägen um die Ecke kamen, war ich schlicht überfordert – und unsere Töchter auch. Ich habe inzwischen aber gelernt, dass weniger oft mehr ist – und Kinder neben aller Förderung auch viel Raum zur freien Entfaltung brauchen.

Außerdem haben unsere Mädels zum Glück schon recht früh ziemlich klar formuliert, was sie möchten und was nicht. So war für unsere Große etwa nach der musikalischen Früherziehung erst einmal Schluss mit den Besuchen in der Musikschule. Eine Blockflöte war für sie keine Option, Schwimmen und Klettern waren ihr viel wichtiger. Inzwischen hat sie, ganz von allein, zurückgefunden zur Musik. Sie singt, entwickelt gerade ihren eigenen Geschmack, was die Lieder anderer angeht, und geht wieder regelmäßig in der Musikschule ein und aus, um Gitarre zu spielen.

Eine Beziehung, die offensichtlich fruchtet. Wie sonst ist das Foto zu erklären, das mir eine Kollegin vor ein paar Tagen schickte: Es zeigt meine Tochter und ihre Gitarre neben einem Straßenmusikanten und seinem Akkordeon, wie sie zusammen in der Fußgängerzone musizieren. Der Akkordeon-Spieler habe ihr, als sie ihm im Vorbeigehen zulächelte, zugerufen: „Mach doch mit“, erklärte sie mir später. Und natürlich packte das Kind seine Gitarre aus und machte mit. Scheu davor, Neues auszuprobieren oder vor ein Publikum zu treten, kannte sie noch nie. „Wir haben improvisiert“, verriet sie mir dann noch auf meine Frage, was sie denn gespielt hätten. Und, dass sie für die nächste Woche wieder verabredet seien. Vielleicht spielen sie dann ja zusammen Weihnachtslieder.

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