Familien-Kolumne „Kinderkram“ Ausmisten mit kleinen Kindern

Bonn · Kinder sind leidenschaftliche Sammler. Sie können sich sehr schlecht von Dingen trennen – zumindest die unserer Autorin nicht. Damit das Kinderzimmer nicht zumüllt, helfen manchmal nur Tricks.

„Das wird alles noch gebraucht!“ - Ausmisten gehört bei vielen nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen.

„Das wird alles noch gebraucht!“ - Ausmisten gehört bei vielen nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Über die Weihnachtstage haben wir die Verwandten besucht und die Kinder sind mit mehreren Tüten und Kisten an Geschenken heimgekehrt. Wir haben große, sehr nette und dazu noch spendable Familien. Dagegen ist ja auch erstmal gar nichts einzuwenden, allerdings fehlt uns zu all den Sachen, die unsere Kinder so im Laufe der Zeit geschenkt bekommen, in unserer städtischen Drei-Zimmer-Wohnung der Platz. Von den sowieso scheiternden Plänen, einen minimalistischeren Lebensstil anzustreben, will ich hier gar anfangen.

Dazu kommt, dass sich im Kinderzimmer ja nicht nur Bücher stapeln, Puppenkleidung aus Kisten quillt und sich das Playmobil und Lego längst aus dem Regal über die Fensterbank bis unters Bett verteilt hat. Kinder sind leidenschaftliche Sammler. Zumindest gilt das für unsere beiden Töchter. Vielleicht ist das auch ein archaischer Instinkt, der in uns allen steckt. Es gibt kaum einen Spaziergang, bei dem nicht irgendetwas aufgelesen wird – seien es Kastanien, Stöcke, gigantische Kieselsteine oder ein ausrangiertes Sandspielzeug, das sich unter einem Busch versteckt. Da nehmen sich die beiden Sachensucher gerne Pippi Langstrumpf zum Vorbild: „Die ganze Welt ist voll von Sachen, und es ist wirklich nötig, dass jemand sie findet.“ Auch innerhalb der Wohnung lassen sich ungeahnte Schätze heben, deren Wert die Erwachsenen ob ihrer mangelnden Fantasie nur nicht sehen: leere Klopapier-Rollen, Pappkartons, abgerissene Kinokarten, Apfelkerne.

Höchste Zeit also, mal wieder auszumisten. Wenn das denn so einfach wäre. Die meisten Methoden kann ich jedenfalls nicht guten Gewissens weiterempfehlen. Mit Marie Kondo brauchen wir meinen Kindern jedenfalls nicht zu kommen. Wenn ich sie frei nach der japanischen Aufräum-Päpstin frage, ob dieser oder jener mir vollkommen nutzlos erscheinende Gegenstand sie noch glücklich mache, so lautet die Antwort immer „ja“. Alles wird noch dringend gebraucht – und sei es auch nur ein ausgelutschtes Bonbon-Papier. Es scheint sie aber auch nicht unglücklich zu machen, wenn ein Gang durch das Kinderzimmer mehr einem Hindernislauf gleicht und Großteile des Teppichs weder zu sehen geschweige denn zu saugen sind.

Hin und wieder erlauben wir uns, das „Aus den Augen – aus dem Sinn“-Prinzip auszunutzen, Dinge aus dem Kinderzimmer zu entwenden und in einen Karton auf dem Speicher zu verbannen. Sollte der Gegenstand in den nächsten Monaten nicht vermisst werden, kann er endgültig entsorgt, verschenkt oder verkauft werden. An dieser Methode gibt es zwei Haken: Entweder wird nach dem entwendeten Gegenstand genau in dem Moment gefragt, wo er gerade endgültig verschwunden ist. Es ist natürlich unangenehm, dem Kind gestehen zu müssen, dass die Eltern ungefragt sein Eigentum entrümpelt haben. Oder wir selbst vergessen die aussortierten Sachen, die dort in der Vorhölle ihres endgültigen Urteils harren, bis eines Tages die Kinder mal wieder mit auf dem Speicher unterwegs sind und die Kiste finden. Die Freude ist dann natürlich groß und alle verbannten Gegenstände, inklusive Babyrasseln und leerer Filzstifte, werden sofort wieder freudig ins Kinderzimmer aufgenommen.

Einen kleinen Teilerfolg habe ich mit der Methode erzielt, den Kindern einen begrenzten Platz zur Verfügung zu stellen und behalten werden darf nur, was dort hineingeht – beispielsweise nur so viele Kastanien, wie in eine kleine Schüssel passen oder nur so viele Steine und Muscheln, wie ein Einmachglas fasst. Da stand dann plötzlich das Behalten mehr im Vordergrund und der Verlust war verschmerzbar.

Wenn wir aber zum Beispiel einige ausrangierte Spielsachen und Kleidung auf dem Flohmarkt verkaufen, landen auf magische Weise so viele neu erstandenen Schätze in den Kartons, dass wir mit kaum weniger Volumen abreisen, als wir angereist sind. Das gleiche Phänomen ist beim Gang auf den Speicher zu beobachten. Es ist, als befinde sich das Universum Kinderzimmer in einem magischen Gleichgewicht: Alles, was an Pröll herausgetragen wird, wird in gleicher Menge mit neuem Kram aufgewogen. Das Zimmer scheint immer das gleiche Stadium anzustreben: zu voll.

Als wir an Weihnachten bei meinen Eltern waren, habe ich endlich einen alten Koffer mitgenommen, der dort seit vielen Jahren unbesehen im Kabuff lagerte. Im Koffer waren nachvollziehbare Andenken zu finden, wie ein Abi-Shirt und Briefe samt leidenschaftlicher Freundschaftsbekundungen („HDGDL“), die in Prä-Handy-Zeiten unter der Schulbank ausgetauscht wurden. Aber auch ein paar Dinge, von denen ich überhaupt nicht mehr weiß, woher sie stammen und was ich einst mit ihnen verbunden habe. Die alten Schlumpf-Figuren, ein zerbeultes Matchbox-Auto und die Volleyball-Stadtmeister-Medaille konnten meine Kinder selbstverständlich noch sehr gut gebrauchen. Nur bei dem Döschen randvoll mit alten Milchzähnen stieß dann ihre Sammelleidenschaft tatsächlich an ihre Grenzen. Dabei hatte ich die Zähne doch sicher aus irgendeinem ganz triftigen Grund 30 Jahre lang aufbewahrt.

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