Menschen und Experten aus Bonn berichten Darum sind Freundschaften so wichtig
Bonn · Vertrauen und gegenseitige Unterstützung: Das macht Freundschaft unter anderem für Bonnerinnen und Bonner aus. Welche Auswirkungen das auf Körper und Seele hat, erklären Psychotherapeuten.
Einsamkeit hat größere Auswirkungen auf die Lebenserwartungen als Rauchen oder Übergewicht. Das sagt Ruben Berger, psychologischer Psychotherapeut am Universitätsklinikum Bonn (UKB). Deswegen seien Freundschaften für die menschliche Psyche von besonderer Bedeutung. Das bestätigt auch Katharina Hürter, psychologische Psychotherapeutin und Psychoonkologin des St. Marien Hospital: „Das menschliche Bedürfnis nach Bindung ist eines der zentralsten, über das wir verfügen.“ Werde dieses Grundbedürfnis nicht befriedigt, habe dies unweigerlich Auswirkungen auf die Seele. „Seelischer Schmerz manifestiert sich auch körperlich.“
Umgekehrt betrachtet stärken Freundschaften laut Hürter das Immunsystem und beugen damit Krankheiten vor. Zudem merkt sie an, dass Menschen soziale Wesen seien und ohne das Gefühl, sich eingebunden zu fühlen, nicht leben können.
In vielen Lebensbereichen sei man in einer Freundschaft geschützter vor Krisen, so Berger.
Freundschaften geben Halt im Alltag
Freundschaft ist ein wichtiger Faktor und spielt eine große Rolle im Alltag. So sieht das auch die 15-jährige Gioia aus Bonn: „Freundschaft ist mir wichtig, weil sie mir Halt gibt und man sich auf eine andere Person verlassen kann.“ Die Schülerin ist der Meinung, „dass man immer füreinander da ist und man einander nicht verurteilt“.
Für die 47-jährige Silke ist „Freundschaft verbunden mit gemeinsamen Interessen und dass man füreinander da ist“. Außerdem ist es ihr wichtig, dass sie sich aufgehoben fühlt und dass ihre Freunde ihr immer beiseitestehen. Vertrauen ist für sie der Grundbaustein einer Freundschaft. So sieht das auch die 80-jährige Brigitte Konrad aus Bonn: „Ein Freund ist ein Mensch, dem ich Sachen anvertrauen kann.“ Für sie sei auch gegenseitige Hilfe wichtig.
Tatsächlich ziehen sich gleiche Charakterzüge an, „mit denen uns eine gewisse charakterliche Gemeinsamkeit verbindet“, so Hürter. „Vor allem in schwierigen Phasen ist Freundschaft ein hohes Gut.“ Sie berichtet von Krebspatienten, die sich sehr freuen, wenn Freunde mit ihnen telefonieren oder einfach mal „nur“ von ihrem Alltag erzählen. Zudem beobachtet sie, dass Freunde eine größere Distanz haben als Familienmitglieder und das den Krebspatienten hilft, etwas Normalität hineinzubringen.
Unterschied zwischen einsam und alleine
Berger unterscheidet zwischen Einsamkeit und alleine sein, denn eine Person kann sich in einer freundschaftlichen Beziehung einsam fühlen, ist jedoch nicht alleine. Das ist bei vielen Menschen so. Diese haben Freundschaften, die aber nicht erfüllend für sie sind und sie sich trotzdem einsam fühlen. Deshalb muss eine Beziehung gestaltet werden und man muss „aktiv Einfluss nehmen“.
Das findet auch der 28-jährige Raffael, der eher seine engeren Freundschaften pflegt und nicht mehr in großen Gruppen mit vielen oberflächlichen Freunden ist. Er bezeichnet Freundschaft auch als eine „Wahlfamilie“. Ihm sei es wichtig, Erlebnisse zu teilen, da es mehr Spaß mache, diese mit Freunden noch einmal zu erleben.
Berger berichtet von einem Teilnehmer einer Studie des Uniklinikums, wo es um eine durch Oxytocin unterstützte Gruppentherapie mit Leuten geht, die unter unterschiedlichen Aspekten der Einsamkeit leiden. Dieser Teilnehmer habe von Enttäuschung in einer Freundschaft gesprochen. Zu diesem Freund hatte er längere Zeit keinen Kontakt und hatte gehofft, dass es wie früher wird. Eine andere Teilnehmerin erwiderte darauf, dass Freundschaften nicht zerbrechen, sondern verwelken, so ihre Erfahrung.
Raffael hat andere Erfahrungen mit Freundschaft auf Distanz gemacht. Er erzählt, dass sie immer Mittel und Wege gefunden habe, um in Kontakt zu bleiben. Wenn man sich nach längerer Zeit wiedersehe, „ist es immer wie früher“. Außerdem berichtet der Bonner, dass bei guten Freundschaften Distanz nichts ausmache. So sieht das auch Silke, die gerne telefoniert und dadurch Kontakt hält: Selbst nach einem halben Jahr ohne Kontakt ändere sich nichts. Dazu sagt sie: „Das liegt an dem Grundverständnis, das immer da ist.“
Verbundenheit seit 60 Jahren
Brigitte Konrad erzählt von ihrer Freundin aus Schultagen, die erst später in ihre Klasse gekommen ist. Unter anderem war Brigitte mit dem jetzigen Mann ihrer Freundin schon vorher befreundet, wodurch sich die beiden Frauen noch näher gekommen sind. Sie sagt außerdem, dass es genau durch diese langjährige Verbundenheit „eine richtige Freundschaft“ für sie ist. „Es gibt immer kurze enge Freundschaften, aber das ist etwas ganz Besonderes.“ Vor allem die Gespräche über die Familie oder über Schicksalsschläge. „Wir geben uns immer Halt.“ Und das schon seit mehr als 60 Jahren. Da die Schulzeit ein wichtiger Teil ihrer Freundschaft ist, organisieren sie jedes Jahr das Klassentreffen und haben kürzlich die 60-jährige Schulentlassung mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zusammen gefeiert.
Joanna Schlecht (15) ist Schülerin des Tannenbusch-Gymnasiums. Der Text ist im Rahmen des zweiwöchigen Schulpraktikums beim General-Anzeiger entstanden.