Familien-Kolumne „Kinderkram“ Von frischen Brötchen und dem Urknall
Bonn · Wenn kleine Kinder viele Fragen stellen, kann das ganz schön anstrengend sein. In ihrer Wissbegierde nehmen sie auch keine Rücksicht auf schlaftrunkene Väter mit Erinnerungslücken an das Abiturwissen.
„Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm!“ Wenn ich das bekannte Titellied der Sesamstraße summe, mache ich mir keine Sorgen. Unsere beiden Kinder werden sicherlich nicht dumm bleiben. Allerdings kann ihre Wissbegierde ganz schön ins Geld gehen: für Tabletten gegen den schmerzenden Hals oder Kopf ob des nimmer endenden Schwalls an Fragen, die beantwortet werden sollen. Dass sie viel fragen, ist natürlich gut und richtig. Schließlich sollen Kinder verstehen, wie die Welt funktioniert, und auf ihre Fragen Antworten bekommen.
Bei der Zweijährigen ist das zurzeit ermüdend, aber immerhin einfach. Zwar malträtiert sie mich mit unzähligen Was- und Warum-Fragen, gibt sich aber mit einfachen Antworten zufrieden und quittiert diese mit einem „Okay“. Beispiel:
- „Papa, warum ist da ein Fenster?“
- „Damit man herausschauen kann.“
- „Okay.“
Das geht dann bis zu zehnmal hintereinander so, bis der Wissensdurst vorerst gestillt ist. Bei der Fünfjährigen funktioniert das nicht. Davon einmal abgesehen, dass sie sich nicht mehr mit Ein-Satz-Antworten abspeisen lässt, sind diese auf eine Frage wie „Wann gab es eigentlich den ersten Vogel auf der Welt?“ wenig zielführend.
Das genau fragte die Fünfjährige unvermittelt eines Morgens auf dem Weg zur Kita. Durch meinen noch schlaftrunkenen Kopf geisterten Charles Darwin, mein Abiturwissen über Evolution und die Verzweiflung, wie ich meiner Tochter das in diesem Moment, zwischen Bushaltestelle und Kita-Eingangstür, kindgerecht erklären kann.
Also stammelte ich was von Tieren, die sich aus anderen Tieren entwickelt haben, von Sauriern, die Federn hatten und so weiter. Auf die sich daran anschließende Frage, woher denn die Saurier kamen, war ich kurz geneigt, einen Filmabend mit der Jurassic-Park-Reihe vorzuschlagen, verwarf das aber wieder schnell.
An dieser Stelle habe ich dann auch etwas gelernt: Rund 500 Meter Fußweg von der Bushaltestelle zur Kita können ganz schön lang sein, wenn man nach den Dinosauriern noch erklären muss, wie die Bakterien auf die Welt gekommen sind oder wie die Erde entstanden ist. Kurz vor der Kita waren wir beim Urknall angekommen – und die Fünfjährige offenbar weit weniger verwirrt als ich. Dann war notgedrungen Schluss. Auf die Frage, woher denn der Urknall komme, konnte ich erleichtert antworten, dass das noch niemand wisse.
Das stellte die Fünfjährige allerdings nicht zufrieden. Ich versuchte, die Situation schnell zu retten. „Vielleicht wirst du mal eine Forscherin und findest heraus, woher der Urknall kam?“, gab ich ihr auf den Treppenstufen zur Kita-Tür mit. „Ich, Forscherin? Ach Papa, ich weiß nicht“, gab sie zurück.
Tatsächlich hatte die Fünfjährige vor geraumer Zeit erklärt, dass sie später gerne Bäckerin werden will. Wenn ich nun wählen müsste, ob ich mir von meiner Tochter den Urknall erklären oder mir von ihr gebackene Brötchen schmecken lasse, dann kann das Universum sein letztes Geheimnis gerne für sich behalten.