Familien-Kolumne „Kinderkram“ Traumberuf Müllfrau
Aus Kindersicht gibt es sie nicht, die Berufe für die Frau oder für den Mann. Deswegen stand die Tochter von GA-Redakteurin Nadine Quadt dem Girls’ and Boys’ Day anfangs kritisch gegenüber – bis er ihr einen lang gehegten Wunsch erfüllte.
Das Lied will seit Tagen einfach nicht mehr aus meinem Kopf heraus. Unsere große Tochter hat mir den Ohrwurm aus der Sendung mit der Maus beschert. Als sie klein war, haben wir den „Klassiker“ aus den ersten Mausjahren einmal zusammen gesehen und sie hat ihn sich sofort einverleibt: Statt sechs stattlicher Kölner in orangefarbener Arbeitskleidung sang fortan unsere Kleine „Wir sind die sechs von der Müllabfuhr“, mit kölschem Einschlag. Seit ein paar Tagen singt sie wieder, die Strophe vom Fahrer ebenso wie die der Tonnenholer und -wegbringer. Dabei strahlt sie über das ganze Gesicht. Denn endlich, endlich ist ihr lange gehegter Traum in Erfüllung gegangen: Sie durfte tatsächlich mit einem Müllwagen mitfahren. Der Girls‘ and Boys‘ Day machte es möglich.
Dabei sieht sie den Tag an sich durchaus kritisch. „Warum sollten Berufe nur für Männer oder nur für Frauen sein“, fragte unsere 13-Jährige, als das Thema in ihrer Schulklasse aufkam. „Es kann doch jeder den Beruf machen, den er möchte“, ist ihre Überzeugung. Recht hat sie. So sollte es sein und ist es auch schon weit mehr als noch vor Jahrzehnten. Frauen in einst von Männern dominierten Aufgabengebieten sind keine Seltenheit mehr, und umgekehrt auch. Aber, es gibt sie dann eben doch noch: die Berufe, die eher Frauen oder eben eher Männer ergreifen.
Unsere Töchter verdrehen hingegen beide die Augen, wenn es mal wieder um Jungs- oder Mädchen-Klischees geht. Das fängt bei den Farben an – beide mögen aktuell blau und grün am liebsten – und hört bei den Klamotten auf. Der Lieblingspulli der Kleinen stammt aus der Jungsabteilung. Und ich denke, unsere Große hat ihre letzte Hose sogar aus Prinzip dort gekauft. Außerdem war sie einfach bequemer, wie sie erklärt. Mit dem Girls‘ and Boys‘-Day hat sie sich dann allerdings doch anfreunden können. Genau in dem Moment, als sie auf der Suche nach einem passenden Angebot die Anzeige der RSAG entdeckt hat. Zwei Plätze waren da noch frei – einer gehörte danach ihr.
Seit sie klein war, träumt sie davon. Schon wenn der Papa abends die Mülltonnen vor das Haus stellte, freute sie sich auf den Müllwagen am nächsten Morgen. Kaum war der zu hören, stand sie am Fenster, beobachtete genau, was unten geschah und war glücklich, wenn einer der „Müllmänner“ ihr Winken erwiderte. Heute steht sie zwar nicht mehr wartend und winkend hinter dem Fenster, freut sich aber doch, wenn das Müllauto genau in dem Moment bei uns hält, wenn sie das Haus in Richtung Schule verlässt. Sie ist auch diejenige, die penibel darauf achtet, dass der Müll bei uns in der richtigen Tonne landet – und vor allem, dass wir gar nicht erst so viel davon erzeugen.
Sie hat den Herren von der Müllabfuhr auch schon Briefe geschrieben. Ein solcher lag etwa auf unserer Couch, als die ein Fall für den Sperrmüll geworden war. Tränenreich war ihr Abschied vom lieb gewonnenen, aber leider durchgesessenen roten Kuschelsofa, das nun am Straßenrand stand. Ihr gelber Zettel darauf war nicht zu übersehen. „Liebe Müllmänner, nehmt gerne einen Moment Platz und macht eine kurze Pause auf unserem alten Sofa, es ist sehr gemütlich“, stand darauf zu lesen, versehen mit einem Gruß unserer Tochter. Zeit für eine Verschnaufpause hatten die Angeschriebenen aber offensichtlich nicht – sie verfrachteten unser altes Stück sofort in die Presse. Unsere Tochter war da zum Glück schon in der Schule.
Erst vor ein paar Wochen hat sie noch einmal ihren alten Wunsch geäußert, einmal mit dem Müllsammelfahrzeug mitfahren zu dürfen. Da war mein Kollege gerade einen Vormittag lang dabei gewesen, als die Papiertonnen geleert wurden. Damals habe ich ihr noch die Hoffnung genommen, dass sie es ihm so schnell gleich tun könnte. Tja, da habe ich mich wohl geirrt. Manchmal geht es dann eben doch auf einmal ganz schnell. Ihr glückliches Gesicht zu sehen, als sie von ihrem Tag bei der Müllabfuhr zurückkam, war einfach nur schön. Sie weiß jetzt scheinbar alles über die Müllentsorgung, durfte sich die RSAG-Logistik in Troisdorf genau anschauen und im Wertstoffhof bei der Annahme helfen. Und natürlich durfte sie auf dem Tritt eines Müllfahrzeuges mitfahren und auch selbst eine Tonne leeren. Schade nur, dass ich ihr dabei nicht zusehen und zuwinken konnte.