Familien-Kolumne „Kinderkram“ Fast alles hat das Zeug zum echten Schatz

Kinder müssen nicht lange suchen, sie finden immer etwas, das sie gut gebrauchen können. Steine, Schrauben, Stöcke, alles ist in ihren Augen wertvoll. Das ist einerseits wundervoll, bringt die heimische „Schatzkammer“ aber definitiv an ihre Grenzen.

 Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Foto: GA/ivector - stock.adobe.com

Fast wäre das gute Stück in unserer Mülltonne gelandet. Vor dem Waschen hatte ich es aus einer der Jackentaschen unserer Tochter gefischt, mir einen Moment länger angesehen und es dann als Müll identifiziert. Deswegen wusste ich zum Glück ganz genau, wo sich der sichtlich in die Jahre gekommene Flaschenverschluss befand, als sie wenig später erschrocken danach fragte. Natürlich holte sie ihren am Ufer der Sieg geborgenen Schatz wieder aus dem Abfalleimer heraus.

Schätze suchen und finden unsere Töchter beinahe täglich. Ihre Sammlung hätte inzwischen vermutlich schon die Ausmaße eines stattlichen Museums erreicht, wenn ich nicht zwischenzeitlich ein wenig interveniert hätte. Allein die Steine, die sich Woche für Woche in den Jackentaschen unserer Zweitgeborenen ansammeln, hätten das Zeug für eine eigene Mineralien-Abteilung. Edelsteine sind es nicht, aber jeder ist wertvoll für sie. Gleiches gilt für Stöcke, Eicheln, Kastanien und Co oder Schrauben und Muttern. Verpackungen aller Art müssen wir ebenfalls möglichst von ihr ungesehen entsorgen – sie kann sie ansonsten nämlich garantiert für irgendetwas gebrauchen.

Grundsätzlich finde ich es schön, dass unsere Kinder Freude an Dingen finden, an denen andere achtlos vorbeigehen oder sie, ohne groß nachzudenken, in den Müll werfen. Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun. Außerdem ist es faszinierend zu sehen, wie mit Fantasie und Geschick aus Fundstücken wunderbare neue Kunstwerke oder Nützliches entstehen. Die Bühne, die unsere Kleine gerade aus einem gepolsterten Pappstück für ihre Band aus Playmobil-Figuren gebaut hat, ist das jüngste Beispiel dafür.

Trotzdem müssen wir der Sammelleidenschaft unserer Töchter hin und wieder Grenzen setzen, wenn wir uns zu Hause weiter frei bewegen wollen. Manchmal geschieht das heimlich, in aller Regel aber sortieren wir gemeinsam aus. Bei den Steinen konnten wir uns etwa auf den Kompromiss einigen, dass die im Garten besser aufgehoben sind als auf dem Küchentisch. Einzige Ausnahme ist ihr „Aggergold“: Die Steinchen, die unsere Mädchen in Lohmar aus der Agger gefischt haben, dürfen weiter auf dem Fensterbrett in einem Wasserglas blau glitzern.

Überhaupt scheint unsere Küche aus kindlicher Sicht der beste Aufbewahrungsort für Schätze jedweder Art zu sein. Auch der Flaschenverschluss, den unsere Erstgeborene am Siegufer fand, liegt dort noch immer auf dem Tisch. Der entpuppte sich beim näheren Hinsehen als kleines, ein wenig verbeultes Relikt vergangener Tage. Der Inhalt der Flasche, die er einmal verschlossen hat, wäre schon lange nicht mehr genießbar: Ende Mai 1985 steht in roter Schrift das Mindesthaltbarkeitsdatum auf dem güldenen Deckel zu lesen.

Ich muss gestehen, das Datum hat mich entsetzt. Fast vier Jahrzehnte sind vergangen, seit jemand den Verschluss in die Natur geworfen hat – und ebenso lange hat sich niemand gefunden, der ihn aufgehoben und entsorgt hat. Er lag sogar schon mehr als ein Vierteljahrhundert dort, als unsere große Tochter geboren wurde. Wenn ich so betrachte, was sie von ihren regelmäßigen Ausflügen an die Sieg mitbringt, ist er damit leider nicht allein. Zum Glück schaut sie hin, bückt sich und sammelt ein, was nicht dahin gehört: Das meiste wirft sie inzwischen zu Hause in den Müll, manches wandert aber auch immer noch in ihre persönliche Schatzsammlung. Und vom Küchentisch dann irgendwann in ihr Zimmer.

Ihr neuester Fund zählt für sie zur Kategorie Schatz. Besonders ist der Flaschendeckel in jedem Fall. Von seiner Innenseite stößt einem ein gewisser Jürgen Hingsen eine Kugel entgegen. Ein deutscher Zehnkämpfer aus den 1980-er Jahren, beantwortete der Papa den fragenden Blick unserer Tochter und erzählte ihr auch gleich von den „Knibbelbildchen“, die in unserer Kindheit aus Deckeln herausgeknibbelt und gesammelt werden konnten. Ich bin sicher, dass irgendwo in seiner „Schatzkammer“ im Keller meiner Schwiegereltern noch eine dieser Sammlungen schlummert. Der Schatz unserer Tochter scheint ein inzwischen verbeultes Sammelstück aus der Coca-Cola-„Knibbelbildchen“-Serie zu den Olympischen Spielen 1984 zu sein. Der Mann mit Schnäuzer ist ihr zwar ein wenig suspekt, trotzdem will sie sich ihr Fundstück mit einer Kette zum Schmuckstück machen.

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