Familien-Kolumne „Kinderkram“ Über John Lennons Tod und die unfassbare Unendlichkeit

Bonn · John Lennons Tod ist gerade großes Thema in der Kita. Wir Erwachsenen stumpfen mit den Jahren immer mehr ab. Interessant, die Welt hin und wieder mit den unverstellten Augen der eigenen Kinder zu sehen – in all ihrer Härte und Schönheit.

John Lennons Tod und die Unendlichkeit - Kolumne zu Kindern und Erziehung
Foto: GA/ivector - stock.adobe.com

Vor ein paar Tagen war ich richtig betrübt darüber, dass John Lennon unter so furchtbaren Umständen ums Leben gekommen ist. Das kam so: Ein enger Kita-Freund meiner Tochter ist großer Beatles-Fan. Das führt nicht nur dazu, dass seit einigen Wochen durch unsere Wohnung eine textlich etwas fragwürdig aber sehr fröhlich vorgetragene Version von „Yellow Submarine“ schallt. Auch die ganze Geschichte der Beatles inklusive der unschönen Teilaspekte scheint auf dem Klettergerüst und in der Leseecke des Kindergartens aktuell ein großes Thema zu sein.

Meine Tochter kam dazu neulich mit einigen Fragen nach Hause. Warum der Attentäter das gemacht habe, wollte sie wissen, und ob es ihm jetzt wenigstens leidtue. Ob es sehr weh tut, „geschossen“ zu werden, beispielsweise auch im Vergleich dazu, nur angeschossen zu werden, und was denn die anderen Mitglieder der Beatles wohl zu alldem gesagt haben. Ich tat mein Bestes, die Fragen wahrhaftig und doch möglichst kindgerecht zu beantworten.

Ich habe da wohl keinen besonders guten Job gemacht, vielleicht ist das aber auch eine unlösbare Aufgabe. Jedenfalls brach meine Tochter gut eine halbe Stunde nach unserem Gespräch in bittere Tränen aus. Ich fragte sie, was denn los sei. „Ich will einfach nicht, dass John Lennon geschossen wurde.“ Ich sah sie an und wurde dabei selbst traurig. Denn eigentlich will ich das ja auch nicht. Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätte ich die schlechte Nachricht gerade erst erhalten, obwohl das Ereignis selbst nun schon über 40 Jahre her ist und sich noch vor meiner eigenen Geburt ereignet hat. Denn es ist ja nicht so, dass ich mit den Jahren verstanden hätte, warum der begnadete Musiker und noch dazu Aktivist für den Weltfrieden sterben musste. Ich denke nur nicht mehr darüber nach, bin über die Jahre auch einfach abgestumpft. Das bringt das Erwachsenwerden wohl so mit sich.

Für Kinder ist alles neu. Sie erfahren jeden Tag viele Dinge zum ersten Mal. Dass es nicht schmeckt, wenn man Sand in Limonade schüttet. Dass es ein gewisses Risiko birgt, die Eiswaffeln von unten anzuknabbern. Und dass wir alle irgendwann sterben müssen und es, so meine ich zumindest, keine befriedigende Erklärung dafür gibt, warum es den einen früher und den anderen später trifft. Eltern haben die faszinierende Gelegenheit, mit den Augen ihrer Kinder die Welt noch einmal so völlig neu und rein zu sehen.

Das gilt glücklicherweise ja nicht nur im Schlechten, sondern auch im Guten. Was für faszinierende Tiere beispielsweise Schnecken sind, wenn man sich die Zeit nimmt, sie langsam über die eigenen Hände kriechen zu lassen! Oder wie schön der Schauder ist, wenn sich beim Blick hinauf in den nächtlichen Sternenhimmel der unfassbare Gedanke an die Unendlichkeit des Universums einstellt. Auch die kleinen Freuden nimmt man bewusster wahr: So habe ich in der letzten Quarantäne gemeinsam mit den Kindern seit ewigen Zeiten „Das Dschungelbuch“ angeschaut – und mich mit ihnen gemeinsam tierisch amüsiert.

Manchmal entdecken natürlich auch Erwachsene etwas ganz Neues. Dass der Disney-Klassiker von 1967 nicht ohne rassistische Stereotype auskommt, der Affentanz von King Louie beispielsweise als eine Verhöhnung schwarzer Menschen gesehen werden kann, war eine ernüchternde Erkenntnis. Aber mir ist früher auch nie aufgefallen, dass die vier Geier im Dschungelbuch den Beatles nachempfunden sind. Die Haare verraten es eindeutig. Die Geier sollten eigentlich sogar von den vier Beatles gesprochen werden, wie ich jetzt weiß, aber John Lennon war dagegen.

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