Familien-Kolumne „Kinderkram“ Unversehens „Fußball-Mutti“
Serie | Bonn · Kennen Sie diese Eltern, die Tag für Tag durch die Gegend flitzen, um den Nachwuchs von einem Training zum nächsten zu bringen? Unsere Autorin ist versehentlich so jemand geworden – und versucht nun, diese Transformation rückgängig zu machen.
Beim Blick in den Kalender fühlte ich mich jüngst ebenso erschrocken wie ertappt. Und nein, ich meine nicht meinen eigenen Kalender, der durchaus gut gefüllt ist mit Konferenzen, Meetings und Workshops aller Art. Ich meine den „Freizeit“-Kalender meiner Kinder. Montags kommt die Oma, dienstags steht Fußball-Training an, mittwochs wird Gitarre gespielt und geturnt, donnerstags geht es zum Schwimmen, freitags ist schon wieder Fußball, und das Wochenende ist sowieso verplant.
Ertappt: Von mir selbst unbemerkt bin ich zur sprichwörtlichen Eislauf-Mutti geworden – genauer gesagt: zur Fußball-Mutti. Wie konnte das passieren? Habe ich etwa doch nicht gelernt aus immerhin fast acht Jahren „Elternsein“, einer Profession, die in ihrer Komplexität tatsächlich nur und erst dann beurteilt werden kann (und sollte), wenn der oder die Beurteilende, ja richtig, Elternteil geworden ist?
Was hatte man nicht vorab für großartige Vorsätze, oder? Erst vor der Schwangerschaft: Natürlich werde ich mich da ausschließlich sehr gesund ernähren und ansonsten alles so weitermachen wie bisher – ich bin ja schließlich nicht krank! Tja, nur blöd, wenn plötzlich alles außer mit Käse überbackenen Fleischgerichten Würgereiz hervorruft, man jederzeit im Stehen einschlafen könnte und schon das Treppensteigen einen völlig außer Atem bringt.
Weiter geht es, wenn das Kind erst mal geboren ist: Natürlich würde man keinerlei hässlichen, bunten und lauten Plastikkram kaufen, sondern nur geschmackvoll zurechtgeklöppeltes, pädagogisch sinnvolles Spielzeug in gedeckten Farben, das zur Not ausnahmsweise dann auch mal ins Wohnzimmer darf, aber ansonsten ist das natürlich spielzeugfreie Zone für den Nachwuchs, der zuckerfrei und, ohne je auch nur zurechtgewiesen zu werden, munter groß werden darf.
Der Rest ist Geschichte. Und so saß ich in einem Haufen quäkenden Plastiks auf meinem kaum mehr als solches erkennbaren Erwachsenensofa, brüllte gereizt meine Kinder an und versuchte, ihres zum Bersten gefüllten Kalenders Herrin zu werden. Ich fragte meine Söhne, was ihnen denn eigentlich am meisten Spaß macht und worauf sie verzichten könnten.
Das Ergebnis: Statt nachmittags durch die Gegend zu hetzen und mit Trainingsklamotten und Instrumenten zu jonglieren, spielen meine Kinder jetzt mit ihren Freunden, essen Eis und springen Trampolin. Das ist wie immer enervierend laut, aber mit dieser Art Freizeitstress kann ich leben.