Familien-Kolumne „Kinderkram“ Über chronischen Schlafmangel als Eltern

Bonn · Dass Eltern von Säuglingen wenig schlafen, ist hinlänglich bekannt. Dass guter Schlaf aber auch mit älteren Kindern Mangelware ist, darauf war unsere Autorin nicht vorbereitet.

Der elterliche Schlafmangel macht sich im Alltag bemerkbar.

Der elterliche Schlafmangel macht sich im Alltag bemerkbar.

Foto: Mediaparts - stock.adobe.com/David Braun

Ich habe neulich von einer Studie gelesen, die nahelegt, dass Mütter in den ersten sechs Monaten nach der Geburt ihres Kindes bis zu sieben Jahre altern. Ein kurzer Blick in den Spiegel vermag das Ergebnis nicht zu widerlegen. Allerdings scheint mir der Betrachtungszeitraum etwas zu kurz gegriffen. Unsere Kinder sind inzwischen drei und sechs Jahre alt. Das mit dem elterlichen Schlaf ist immer noch ein Problem.

Diese Woche waren es beim älteren Kind mal wieder Hustenanfälle und Bauchschmerzen, die uns Eltern abwechselnd den Schlaf raubten. Die Dreijährige kommt ohnehin jede Nacht ins elterliche Schlafzimmer getapst, irgendwann zwischen 23 und 3 Uhr, oft schreiend. Den Rest der Nacht verbringt sie dann bei uns.

Es hat natürlich etwas Schönes, wenn so ein schlafendes Kind sich nachts an einen schmiegt, weil es sich nirgendwo sonst auf der Welt so geborgen fühlt. Allerdings gehört zur Wahrheit dazu, dass es trotz seiner Kleinigkeit in Nullkommanichts alle Bettdecken durch eine perfide Einrolltechnik ganz für sich beansprucht und die Erwachsene durch andauernde Rotationen um die eigene Achse an den Bettrand drängt. Mehr als einmal bin ich nachts schmerzerfüllt hochgeschreckt, weil mir der kleine Liebling im Schlaf mit voller Wucht seine Ferse ins Gesicht hatte fallen lassen.

Natürlich waren wir theoretisch darauf vorbereitet, dass Eltern von Neugeborenen wenig Schlaf bekommen. Aber wie sich chronischer Schlafmangel wirklich anfühlt, das lässt sich theoretisch wohl kaum erfassen. Die wahre Bedeutung von Schlaf erschließt sich einem erst, wenn er Mangelware ist. Wir können uns zudem eigentlich nicht beklagen. Wir sind zu zweit und einer kann sich auf die Schlafcouch im Wohnzimmer flüchten. Schon als Säuglinge waren unsere Kinder auch keine besonders schlechten Schläfer, die Stillintervalle früh bei vier Stunden und sie schrien beide nicht viel. Was ich mir vorher nicht vorgestellt hatte, war, dass die unruhigen Nächte jahrelang nicht aufhören würden. Zwar sind die nächtlichen Unterbrechungen jetzt, wo sie größer sind, insgesamt deutlich weniger geworden – aber die Nächte, nach denen ich morgens um 7 Uhr aufwache und denke: „Verrückt, ich habe durchgeschlafen“, sind immer noch rar. Gründe gibt es viele, zu kalten Füßen und mangelndem Platz meinerseits gesellen sich kindliche Nachtschrecken, Albträume, verstopfte Nasen, Hustenanfälle, nasse Bettlaken.

Vielleicht gäbe es Methoden, die Kinder zu besseren Schläfern zu erziehen. Manchmal frage ich mich angesichts der Augenringe im Spiegel schon: Machen wir etwas falsch? Eine Zeit lang wurden die beiden auf Matratzen neben unserem Bett verbannt. Mehrmals hintereinander unverhofft aus dem Schlaf geweckt zu werden, ist allerdings zermürbend. Nicht ohne Grund gilt Schlafentzug in Gulag und Guantánamo als beliebte Foltermethode. Unter Schlafmangel gestehen Menschen Missetaten, die sie nie begangen haben. Das Verlangen, einfach nur möglichst schnell weiter zu schlafen, kann unermesslich groß sein. Vielleicht ist es also nicht der richtige Gemütszustand für Konsequenz. Wir haben uns irgendwann einfach ein größeres Bett gekauft – und festgestellt, dass größer nicht unbedingt groß genug heißt.

Der chronische Schlafmangel fordert seinen Tribut. An manchen Tagen falle ich um 21 Uhr ins Bett – oder schlafe gleich beim Ins-Bett-Bringen der Kinder ein. Das ist meiner Erfahrung nach ohnehin die effektivste Methode, um sie zum Schlafen zu bringen. Dass ich nicht häufiger früh schlafen gehe, liegt schlicht daran, dass der Abend in der Regel die einzige Zeit des Tages ist, zu der wir Eltern mal etwas Schönes für uns machen können - oder halt die Wäsche. Auch das plötzliche Einschlafen tagsüber zu ungünstigen Zeitpunkten gehört zu den Nebenwirkungen des chronischen Schlafmangels: während des lang ersehnten Theaterbesuchs, auf dem schwiegerelterlichen Sofa beim Kaffeeklatsch oder mitten im Buchvorlesen. Es gibt ein legendäres Foto, das mir mein Mann einst geschickt hat. Es zeigt ihn bäuchlings auf dem Teppichboden liegend, auf seinem Rücken stapelt sich allerlei Spielzeug, darunter ein ausgewachsenes Dreirad.

Unser älteres Kind ist inzwischen sechs. Sie war immer die unwilligere und unruhigere Schläferin der beiden. Inzwischen schläft sie meistens durch. Es gibt also Hoffnung. Mal sehen, wie viel Zeit uns dann bleibt, bis wir Eltern wieder wach liegen – weil wir darauf warten, dass unsere jugendlichen Kinder nach Hause kommen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort