Familien-Kolumne „Kinderkram“ Smartwatch fürs Kind - nein danke! Oder?

Bonn · Wenn unsere Autorin andere Eltern beobachtet, denkt sie manchmal: Wie kann man nur! Nur um ein paar Jahre später dann selbst genau dasselbe zu tun.

Smartwatch fürs Kind - nein danke! Oder?
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Eltern neigen heutzutage dazu, das Erziehungsverhalten anderer Eltern naserümpfend zu betrachten. Ich finde das sehr schade. Zumal es dabei in der Regel nicht um gravierendes Fehlverhalten geht – sagen wir um körperliche oder seelische Gewalt, sondern um mehr oder weniger banale Dinge wie Ernährung, Kleiderwahl oder Mediennutzung. Mehr Gelassenheit, Toleranz und gegenseitiges Wohlwollen wären schön – das gilt auch für mich selbst. Auch ich erwische mich dabei, wie ich andere Eltern beobachte, und denke: Wie kann man nur!

Neulich beispielsweise kam in einer Runde die Frage auf: Sollte das Kind eine Smartwatch bekommen? Die anderen beteiligten Eltern haben Nachwuchs im Grundschulalter und waren unentschlossen. Ich dachte: Wenn unsere Kinder erst mal in einem Alter sind, in dem sie etwa den Weg zur Schule alleine meistern oder allein mit dem Fahrrad zum Sport fahren, dann sollen sie das bitte auch allein tun – und dabei nicht von uns per GPS überwacht werden. Kinder sollten ab einem gewissen Alter das Recht haben, auch mal von den Eltern unbemerkt einen Umweg zu gehen. Wir haben damals auch mal einen Bus verpasst oder einen platten Fahrradreifen gehabt, ohne gleich Mama oder Papa zur Hilfe rufen zu können. Wir haben stundenlang irgendwo zugebracht, ohne dass die Eltern wussten, wo genau wir waren. Geschadet hat es uns doch nicht, ganz im Gegenteil, wir konnten wachsen. Zumal so eine Smartwatch auch eigene Gefahren mit sich bringt, man denke an mangelnden Datenschutz oder die ständige Ablenkung. Kurz und gut: Auf keinen Fall!

Mit diesem „auf keinen Fall“ und „wie kann man nur“ gibt es allerdings ein Problem: Wenn ich auf meine bisher sechsjährige Elternkarriere blicke, hatten viele dieser vehementen Urteile keine besonders lange Haltbarkeit. Ich erinnere mich genau daran, wie wir das erste Mal mit unserer damals anderthalbjährigen Tochter geflogen sind. Ich blickte mich im Flugzeug um und dachte: Wie kann man nur Vierjährige ewig vor einem Tablet mit Kinderserien von zweifelhafter Qualität parken, geht echt gar nicht. Inzwischen können unsere Kinder (und wir) die Titelmelodie von „Paw Patrol“ lauthals mitsingen und die Kinder sitzen auch mal 50 Minuten am Stück vor dem Bildschirm, wenn das eine wichtige Videokonferenz oder eine lange Zugfahrt erleichtert. Knisterbücher, Wendepailletten, Tonie-Box: Das waren für mich alles einst absolute No-Gos, bis sie dann doch ihren Weg in unser Leben fanden. Manches Embargo räumten auch die lieben Verwandten en passant mit ein paar Geburtstags- und Weihnachtsgeschenken ab.

Wer ein vier Monate altes Baby hat, der kann sich eben nicht vorstellen, wie das Leben mit einem Anderthalbjährigen ist und wer ein anderthalbjähriges Kind hat, kann sich nicht vorstellen, Elternteil eines Grundschulkindes zu sein. Außerdem ist es mit Erziehungsfragen ein bisschen wie mit der Mode. Irgendwer fängt an, weiße Turnschuhe zu tragen und alle schreien: „Was, wie unpraktisch!“ Dann schaue man ein paar Monate später in ihren Schuhschrank.

Um auf die Smartwatch für Grundschüler zurückzukommen, da lege ich mich aber hier und heute fest: Die kommt uns definitiv nicht ins Haus. Mal sehen, wie lange es hält.

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