Familien-Kolumne „Kinderkram“ Von nimmersatten Raupen im Meer aus Tomaten

Bonn · Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten waren für meine Großeltern selbstverständlich. Der Versuch, das auch meinen Kindern zu vermitteln, offenbart allerdings, dass Gärtnern gar nicht so einfach ist.

Familien-Kolumne „Kinderkram“: Von nimmersatten Raupen im Meer aus Tomaten
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Im Garten meiner Großeltern gab es Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Daran sind viele wunderschöne Kindheitserinnerungen geknüpft. Beim Erdbeerpflücken ließen mein Bruder und ich die schönsten Früchte direkt in unseren Mund wandern. Omas Kirsch- oder Apfelstreusel – einfach unvergesslich. Möhren, Radieschen oder Salat kamen nur frisch aus dem Beet auf den Tisch. Und der Kohlrabi schmeckte am besten roh im Garten. Erinnerungen wie diese wünsche ich mir auch für unsere Kinder. Da die bei ihren Omas und Opas nicht in der Form zu finden sind, lassen wir sie bei uns zu Hause weiterleben.

In wesentlich kleinerem Stil, aber auch für unsere Töchter in jedem Fall ein Erlebnis. Allerdings lehrt die Erfahrung der vergangenen Jahre: Ganz so einfach ist das Züchten nicht. Bei den Kirschen sind Vögel und Eichhörnchen schneller. Und die Schnecken lassen unseren Salatpflanzen kaum eine Chance. Unsere große Hoffnung ruht daher auf unserer jüngeren Tochter. Zusammen mit ihrer Klasse kümmert sie sich in diesem Frühjahr um den Schulgarten – und hält uns über alle Schritte auf dem Laufenden. Inzwischen haben sie die in Töpfen vorgezogenen Radieschen, Kartoffeln, Salatpflanzen, Karotten und Zwiebeln in Hochbeete gepflanzt, beobachten sie beim Wachsen und freuen sich schon auf das gemeinsame Festmahl vor den Sommerferien. Und alles, was sie dabei von ihrer Lehrerin über das Gemüse erfährt, gibt sie an uns weiter.

Kohlrabi ist nicht dabei. Ich habe einen Verdacht warum, denn auch uns kommt der definitiv nicht mehr ins Hochbeet. Zwei Jahre lang haben wir es versucht – ohne Erfolg. Die Raupen haben all unsere Bemühungen torpediert, so lange, bis wir kapituliert und ihnen das Beet resigniert überlassen haben. Unsere Töchter fanden die anfangs noch recht kleinen grünen Wesen „niedlich“ – und straften mich mit Missachtung, als ich sie einzeln abgepflückt und in die Biomülltonne verfrachtet habe. Dort schien es unseren nimmersatten Besuchern im Übrigen nicht allzu schlecht zu gehen. Oder hätten sie sich sonst verpuppt? Auf den Tag, an dem uns bei Entsorgen des Biomülls Schmetterlinge entgegenflatterten, warteten wir allerdings vergeblich.

Hingegen scheinen die gefräßigen kleinen Wesen keine Freunde von Tomaten, Gurken, Zucchini oder Zuckererbsen zu sein, die dürfen wir Jahr für Jahr ernten. Und inzwischen haben wir auch bei der Aussaat dazugelernt. Bei unseren ersten Versuchen hatten unsere Mädels es bei den Tomaten nämlich offensichtlich ein wenig übertrieben. Denn aus nahezu jedem Korn wuchs ein Pflänzchen, und weil sich unsere Große beim Pikieren von keiner einzigen Pflanze trennen wollte, beobachteten wir im Schutz unseres Balkons sage und schreibe 93 Tomatensetzlinge dabei, wie sie täglich größer wurden. Um unseren Garten nicht zur Tomatenplantage avancieren zu lassen, schickten wir die Töpfe auf Wanderschaft, damit die Pflänzchen bei Familie, Freunden und Kollegen zu stolzen Pflanzen heranwachsen konnten. Zugegeben, so ganz haben wir das richtige Maß noch immer nicht gefunden. Aber, ich habe das Gefühl, dass manch einer inzwischen auch darauf baut, von uns mit Tomaten versorgt zu werden, damit auch bei ihm Kindheitserinnerungen weiterleben können.

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