Familien-Kolumne „Kinderkram“ Welche Wünsche soll ich meinen Kindern erfüllen?
Die Kinder werden älter, die Wunschlisten länger. Oft stehen auch Dinge darauf, die unsere Autorin wenig sinnvoll oder gar absurd findet. Das wirft die Frage auf: Welche Wünsche sollte sie abschlagen?
Bis vor kurzem waren unsere beiden Kinder noch wunschlos glücklich – zumindest fast. Vor den Geburtstagen und vor Weihnachten mussten wir ihnen die Geschenkideen aus der Nase ziehen. Schließlich quetscht uns die gesamte Verwandtschaft nach Hinweisen aus, mit was sie unsere Kinder diesmal verwöhnen könnte. Manchmal kamen dabei auch sehr bescheidene Bitten heraus. Unser jüngeres Kind wünscht sich beispielsweise regelmäßig zu Weihnachten eine Wurst. Der Landjäger wird hübsch eingepackt und sorgt unter dem Christbaum alle Jahre wieder verlässlich für Jubel. Was für ein schönes Gefühl, ein Kind so im Freudentaumel zu sehen.
Nun steht der vierte Geburtstag an und mit den kurzen, anspruchslosen Wunschzetteln ist es vorbei. Seit mehreren Monaten äußert das Kind beständig das Begehr nach einem Yoda-Kuscheltier, das sowohl läuft als auch spricht. Dabei hat sie selbstverständlich noch nie einen der Star-Wars-Filme gesehen. Die Anforderungen wurden zwischenzeitlich dadurch ergänzt, die Figur solle doch auch bitte in der Lage sein, andere Kinder zu hauen, falls diese sie ärgerten. Eine kuscheliger, laufender und sprechender Yoda-Bodyguard soll es als zum Geburtstag sein.
Ich bewundere die Fantasie unserer Tochter. Fast ebenso faszinierend finde ich die Tatsache, dass sich in den Weiten des Internets tatsächlich Auflistungen finden, welche Yoda-Figuren denn nun die besten sind. Aber eine sinnvolle Ergänzung zu unserem ohnehin vollen Kinderzimmer kann ich darin beim besten Willen nicht sehen. Das stellt mich vor die Frage, unter welchen Umständen wir Kinderwünschen nachgeben und welche wir ihnen abschlagen sollten.
Mancher vermeintliche Schrott avanciert zum Lieblingsspielzeug
Klar, wir erfüllen keine Wünsche, die schädlich sind – kiloweise Süßigkeiten beispielsweise oder Filme, die nicht altersgemäß sind. Auch bei Barbies haben wir uns nach längerem Ringen dazu entschieden, dass wir sie aufgrund des Körperbildes, das sie transportieren, nicht im Haus haben wollen.
Geschenke sollten möglichst nachhaltig sein, ein gewisses Budget nicht überschreiten und zum Spielen anregen. Gerade letzter Punkt lässt sich aber nur schwer prognostizieren. Mancher vermeintliche Schrott avanciert zum Lieblingsspielzeug, während hochwertige, liebevoll ausgewählte, manchmal auch Herzenswünsche im Regal verstauben.
Die Kleine hat sich auf einem anderen Geburtstag die Idee der „Geburtstagsfee“ abgeschaut. Die soll diesmal die Geschenke bringen. Unsere ältere Tochter ist so nett, die Existenz dieser weiteren großzügigen Symbolfigur vor ihrer Schwester nicht infrage zu stellen, spekuliert aber schon, dass die weitere Puppe, die auf der Wunschliste auftaucht, nicht geliefert werden wird. „So, wie Mama gesagt hat, dass wir schon so viele Puppen haben, glaube ich nicht, dass du noch eine Puppe bekommst.“ Antwort der Kleinen: „Doooch! Die Geburtstagsfee weiß ja nicht, wie viele Puppen wir haben!“ Wenigstens ist in diesem Szenario dann auch die Fee schuld, wenn nicht geliefert wird.
Unverhoffte Hilfe durch den Spielzeug-Katalog
Generell bin ich überzeugt, dass auf dem Wunschzettel auch Dinge stehen sollten, die nicht umgesetzt werden. Kinder müssen lernen, dass sich eben nicht jeder sehnlichste Wunsch auch erfüllt. Schon der Urvater der Reformpädagogik Jean-Jacques Rousseau schrieb in weiser Voraussicht unserer Zeit, das sicherste Mittel, ein Kind unglücklich zu machen sei, es daran zu gewöhnen, dass es alle Wünsche erfüllt bekommt.
Zur Hilfe kam uns diesmal ausgerechnet der Katalog eines Spielwarengeschäfts. Seite für Seite wurden die Grausamkeiten begutachtet: Miniatur-Jeeps, die ferngesteuert Schritttempo fahren, Puppen, bei denen das Kindchenschema (riesige Augen, stecknadelgroße Nase) albtraumhaft ad absurdum geführt wurde, Make-up-Koffer für minderjährige Eisköniginnen. Haben wollte unsere Tochter fast ausnahmslos alles. Aber der Katalog hielt eben auch einige Anregungen bereit, welche Ausstattung die heiß geliebten Puppen noch gebrauchen könnten – mit denen spielt sie immerhin täglich ausgiebig. Der Yoda-Bodyguard war plötzlich kein Thema mehr.
Ich erinnere mich, früher auch stundenlang den Otto-Katalog Seite für Seite durchgegangen zu sein und mich in eine Welt geträumt zu haben, in der das alles mir gehören könnte. Nicht ohne fasziniert wie verschämt über die beiden Doppelseiten mit Erotikartikeln zu stolpern. Dass ich jemals wütend oder enttäuscht gewesen wäre, weil ich all die schönen Spielsachen in der Realität nicht geschenkt bekam, daran kann ich mich nicht erinnern.