Familien-Kolumne „Kinderkram“ Wenn das eigene Kind für die Queen schwärmt

Bonn · Die Tochter unserer Autorin schwärmt für die britische Königin. Überhaupt scheint sie politisch nicht viel von der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu halten, sondern dem Monarchismus anzuhängen.

 Eine Flagge weht zu Ehren Queen Elizabeths II. in London.

Eine Flagge weht zu Ehren Queen Elizabeths II. in London.

Foto: Johanna Heinz

Politisch sind ich und unsere fünfjährige Tochter aktuell nicht auf einer Wellenlänge. Während ich eine überzeugte Anhängerin unserer freiheitlich, demokratischen Grundordnung bin, scheint sie unter die Monarchisten und Monarchistinnen gegangen zu sein.

Ein erster Verdacht kam auf, als sie vor einigen Wochen mit einem bekritzelten Papier aus der Kita heimkam. Sie habe einen Artikel für die Zeitung geschrieben, ließ sie verlauten. Obwohl unsere Tochter für eine Fünfjährige schon ganz passable die Buchstaben A und E zu Papier bringt, weiß sie nicht, dass man beim Schreiben Lücken zwischen den Wörtern lässt. Außerdem streut sie bei Platzmangel die übrig gebliebenen Buchstaben je nach Luft quer über das Blatt. Es dauerte also eine ganze Weile, bis ich mit ihrer Hilfe alle Buchstaben wieder eingesammelt und den Schrieb entziffert hatte. Er entpuppte sich als Kommentar zur aktuellen politischen Lage in Iran. Die hatte sie vorher von einem anderen Kita-Kind detailliert erläutert bekommen.

Dort gebe es einen Bestimmer, der die Menschen ungerecht behandle und einsperre. Deswegen sollten ein neuer König und eine neue Königin eingesetzt werden, die dann gerecht zu den Leuten sein sollen, so die Kernforderungen des Pamphlets. Ihre kindliche Vorstellung von Politik ist, dass es an der Spitze wohl jemanden geben muss, der das Sagen hat, dass der aber möglichst gerecht sein sollte. Sicherlich schadet es in ihren Augen nicht, wenn er zudem hübsche Gewänder und eine funkelnde goldene Krone trägt. Als ich vergangene Woche zu einer Dienstreise nach London aufbrach, bekam ich dann von ihr den Auftrag, doch bitte die Queen zu fotografieren.

Wahlplakate an Straßenlaternen und eine gute Freundin, die selbst bei der Landtagswahl angetreten ist: Gesprächsanlässe zum Thema Politik gab es schon einige. Ich muss einen Teil der Schuld für das politische Abdriften meiner Tochter wohl auf meine eigene Kappe nehmen. Denn es ist mir bei diesen Gelegenheiten offenbar nicht gelungen, unser bundesstaatlich organisierte parlamentarische Demokratie kindgerecht zu erklären und vor allem ins rechte Licht zu rücken. Das fällt bei den Entwicklungen einiger demokratischer Staaten in den vergangenen Jahren ja auch nicht gerade leicht. Die Demokratie ist eben nicht perfekt, trotzdem ist sie die beste Regierungsform, die wir haben. Oder wie es der britische Premier und jahrelange Wegbegleiter Queen Elizabeths II., Winston Churchill, einmal ausdrückte: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Auch Märchen und Disney-Figuren werden wohl ihren Anteil haben. Irgendwie ist es nachvollziehbar, dass ein britisches Königshaus samt Prinzen, Protokoll und Paraden attraktiver wirkt als – sagen wir – Olaf Scholz oder Frank-Walter Steinmeier.

Ich hatte unsere Tochter schon darauf vorbereitet, dass das mit dem Foto von der Queen schwierig werden könnte. Allerdings boten sich – auch wegen des diesjährigen 70. Thronjubiläums – reichlich Gelegenheiten, Bilder von Bildern vom britischen Staatsoberhaupt zu machen: die Queen auf dem wehenden Union Jack vor Restaurants, jung und frisch gekrönt auf Postkarten in Schaufenstern, in fliederfarbenem Kostüm auf Bannern mitten zwischen den leuchtend roten Lampions in China Town, zwischen glitzernden Paillettenregenbogen im bunten Stadtteil Soho, auf T-Shirts, Tassen und Teedosen. All das hätte meiner Tochter sicherlich sehr gefallen.

Ich habe ihr von der Reise also auf diese Weise viele Fotos von der Queen mitgebracht, außerdem ein Stickerheft, in dem man Könige und Königinnen von den ägyptischen Pharaonen bis zu Elisabeth II. einkleiden kann. Innerhalb eines Tages hatte sie die 170 Kronen, Samtgewänder und Spitzenkragen eingeklebt. Ich habe vorne im Heft einen Blick auf die weiteren Teile der Reihe geworfen. Der britische Verlag hat auch Stickerhefte zu den Themen „Weltkriege“, „Erster Weltkrieg“ und „Zweiter Weltkrieg“ im Angebot. Da habe ich gedacht, dass wir es mit den politischen Anwandlungen und Interessen unserer Tochter noch deutlich schlimmer hätten treffen können.

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