Familien-Kolumne „Kinderkram“ Voll unfair! - Wie es ist, mit den eigenen Kindern zu diskutieren

Bonn · Mit den eigenen Kindern zu diskutieren, kann ganz schön anstrengend sein, findet unsere Autorin. Alles, was Eltern sagen, wird später gegen sie verwendet. Und was, wenn das Kind am Ende die besseren Argumente hat?

Nicht immer überzeugen die Argumente der eigenen Eltern.

Nicht immer überzeugen die Argumente der eigenen Eltern.

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In meiner Familie reichen die weltanschaulichen Überzeugungen von konservativ katholisch bis engagiert atheistisch, von Wurstliebhaberei bis vegan. Da geht es bei Familienfeiern schon mal heiß her. Ich habe Philosophie im Nebenfach studiert, habe es mit Wittgenstein und Kant aufgenommen. Cannabis-Legalisierung? Gender-Sternchen? Star Wars oder Star Trek? Debatten scheue ich eigentlich nie – im Gegenteil. Aber nichts hat mich auf den Endgegner im Diskutieren vorbereitet: Auf meine Kinder.

Wenn ich etwas verbiete, dann begründe ich das in der Regel. Manchmal ist das leicht. „Du darfst nach dem Zähneputzen keine Süßigkeiten mehr essen, weil du sonst Karies bekommst. Das schadet den Zähnen und tut weh.“ Oder: „Du kannst bei minus drei Grad nicht im T-Shirt nach draußen gehen, weil du dann frierst. Und nein, dagegen helfen auch keine Wendepailletten.“ Das heißt nicht, dass die Kinder meine Faktenargumente immer akzeptieren. Sie können sich ohne Probleme auf das Niveau bissiger Internet-Trolle begeben. Aber ich fühle mich gut und kann die Ad-hominem-Repliken („du bist sooo doof“) und Totschlagargumente („voll unfair“) aushalten.

Manchmal begründe ich Verbote aber auch mit Pseudo-Sachargumenten. Wenn ich beispielsweise möchte, dass die Knie beim Essen unter dem Tisch bleiben. „Sonst kleckerst du dir die ganze Hose voll und wir haben keine Lust, jeden Tag zu waschen.“ Damit komme ich bei unseren Kindern nicht durch. „Aber Mama, ich verkleckere mich doch auch, wenn ich gerade sitze!“ Da hilft wohl nur „weil ich es gerne möchte“, wenn Tischmanieren einem denn so wichtig sind.

Das Schlimmste ist, dass Kinder alles, was man selbst sagt, aufsaugen wie ein Schwamm. Jedes Argument kommt irgendwann als Bumerang zurück. Neulich verlangte die Sechsjährige nach Limonade zum Abendbrot. Das sei ungesund und etwas für besondere Anlässe, antwortete ich. „Aber Mama, du hast doch selbst gesagt, dass die nur fünf Prozent Zucker hat.“

Vergangene Woche waren wir auf einer Hochzeit eingeladen. Als ich unseren beiden Kindern eröffnete, sie seien als Blumenmädchen vorgesehen, sagte die Dreijährige, sie wolle lieber als „Taucher“ gehen. Unter festlicher Kleidung versteht sie offenbar etwas anderes als die meisten Leute. Gibt es einen triftigen Grund, in adrettem Kleidchen auf eine Hochzeit zu gehen, statt als Sams – außer „das macht man so“ oder dem Peinlichkeitsempfinden der Eltern? Zumal unser Kind auf die Frage, wieso sie ausgerechnet einen Ganzkörper-Badeanzug tragen möchte, ein ziemlich überzeugendes Argument parat hatte: „Weil ich mich so schön finde!“. Und die Einladung als Dresscode „jeder, wie er mag“ ausgab. Sie entschied sich dann spontan doch für ein Hasenkostüm – inklusive Ohren und Stummelschwanz. Das Outfit war ein großer Erfolg. Manchmal ist es wohl keine Schande, sich den besseren Argumenten einer Dreijährigen geschlagen zu geben.