Familien-Kolumne „Kinderkram“ Wenn Wege sich trennen

Bonn · Wer vom Kindergarten an gemeinsam durch dick und dünn geht, kann es sich anders gar nicht vorstellen. Dass das auch so bleiben kann, wenn man sich nicht mehr täglich sieht, müssen Kinder allerdings erst noch lernen.

 Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Um Unterhaltsames und Ärgerliches aus dem Elternalltag geht es in unserer Kolumne „Kinderkram".

Foto: GA/ivector - stock.adobe.com

Acht Jahre sind aus Sicht einer Zehnjährigen eine Ewigkeit. Fast ihr ganzes Leben, wie unsere Tochter immer wieder sagt. So lange währt die Freundschaft zu einem ihrer besten Freunde inzwischen schon. Vom Kindergarten an haben sie sich fast täglich gesehen. Sie sind zusammen gewachsen – an Größe, aber vor allem auch an Erfahrungen und Wissen – und haben eine ganz besondere Beziehung zueinander. Sie vertrauen einander blind. Dass es nach den Sommerferien nun vorbei sein soll mit dem täglichen Wiedersehen in Kindergarten oder Schule, weil sie dann zwei unterschiedliche Schulen besuchen, macht unsere Tochter schon jetzt traurig. Wie soll sie auch verstehen, dass eine Freundschaft nicht zwangsläufig enden muss, wenn sich Wege einmal trennen?

Ja, auch sie hat in ihrem Leben schon Freunde aus den Augen verloren. Auch solche, die ihr besonders am Herzen lagen. Noch heute strahlen etwa ihre Augen, wenn sie ihren Kumpel aus Tagesmutterzeiten auf Fotos sieht. Ob sie sich an ihn noch wirklich erinnert, vermag ich gar nicht zu sagen. Die Innigkeit der beiden auf den alten Fotos zu sehen, gibt ihr aber offensichtlich das schöne Gefühl von damals zurück. Wenn wir ihn zufällig treffen, blicken beide allerdings verschämt zu Boden. Vielleicht sind acht Monate dann auch für eine Zehnjährige schon eine vergleichsweise kurze Zeit. Acht Jahre wiegen da deutlich schwerer.

Ich würde ihr die Traurigkeit gerne nehmen und ihr die Zuversicht geben, dass es für Freundschaft kein tägliches Miteinander braucht. Aber Worte helfen da wenig. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Auch ich war unendlich traurig, als meine beste Freundin und ich nach der Grundschule getrennte Wege gehen mussten. Erst trafen wir uns nachmittags tapfer weiter, dann gab es Zeiten, da sagten wir morgens im Schulbus nur noch kurz „Hallo“ zueinander. Nach einer gewissen Zeit waren wir uns dann aber wieder so nah wie vorher. Daran hat sich nichts geändert, als uns zwischenzeitlich mal mehrere hundert Kilometer trennten, und auch jetzt nicht, wo manchmal Monate vergehen, ohne dass wir uns sehen.

Natürlich ist es mir nicht mit allen Freunden so gegangen. Einige, mit denen ich zeitweise richtig eng befreundet war und viele schöne Augenblicke geteilt habe, sind irgendwann aus meinem Leben verschwunden. Wirklich Streit hat es mit den wenigsten gegeben. Bei einigen war ich enttäuscht, im Grunde aber war es meist so, dass bei allen andere Dinge Priorität gewannen und wir uns so schleichend voneinander entfernten. Wenn wir uns heute wiedersehen, ist die alte Vertrautheit noch immer da. Ein schönes Gefühl.

Aber wie soll man das einer Zehnjährigen vermitteln? Ich versuche, sie für den Moment zu stärken und ihr aufzuzeigen, dass ja nur das gemeinsame Pflichtprogramm verloren geht. Natürlich wird es anders werden für unsere Tochter und ihren besten Freund – und vielleicht auch mehr Einsatz als momentan erfordern, die Freundschaft weiter zu pflegen. Die Pausen, die Zeit in der OGS, der gemeinsame Heimweg, das alles fällt weg. Aber, er wohnt quasi um die Ecke und die Nachmittage können weiter ihnen gehören – mit viel mehr Zeit füreinander als in der Schule, die Kür also. Wenn das kein Argument ist? Echte Freundschaft bleibt, so viel ist sowieso sicher.

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