Familien-Kolumne „Kinderkram“ Wo die Grenzen der genderneutralen Erziehung liegen

Bonn · Wer sein Kind genderneutral erziehen will, hat es bei allen guten Vorsätzen nicht wirklich selbst in der Hand, ob der Nachwuchs am Ende nicht doch den gängigen Klischees entspricht. Es gibt Grenzen, die man akzeptieren muss.

Wo die Grenzen der genderneutralen Erziehung liegen​
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Eher gelb oder grün statt blau. Nicht nur Bagger und Bälle, sondern auch Pferde und Puppen. Meine Frau und ich wollen unseren Sohn möglichst genderneutral erziehen. Am Ende soll er für sich selbst entscheiden, ob er nach immer noch gängigen Stammtisch-Parametern ein „typischer“ Junge werden will oder das Gegenteil davon. Vermutlich wird’s etwas dazwischen.

Wir selbst haben an unserem Verhalten als Eltern aber auch gemerkt, dass man es übertreiben kann. Anfangs haben wir unserem Sohn zum Beispiel so gut wie keine blauen Klamotten gekauft. Das mag daran liegen, dass wir Gender Reveal Partys ziemlich gruselig finden. Jungen gehören bei diesen aus den USA stammenden und zwingend per Instagram in Szene gesetzten Events per Geburt zum Team blau, während Mädchen offenbar mit rosa assoziiert werden.

Die beiden Farben können aber eigentlich nichts dafür. Und vielleicht würde unser Sohn viel lieber ein blaues, statt eines senfgelben T-Shirts tragen – womöglich sogar mit einem Aufdruck, der einen Bagger zeigt. Und schon deutet sich das größte Problem des genderneutralen Erziehens an. Man muss als Eltern akzeptieren, wenn das eigene Kind vielleicht doch mit blau oder rosa sympathisiert und damit den Klischees entspricht.

Unser Sohn musste im Übrigen nicht gänzlich auf blaue Klamotten verzichten. Die haben Verwandte und Freunde schon besorgt. Und auch hier zeigt sich, wo dem genderneutralen Erziehen eine Grenze gesetzt wird. Jungen bekommen eben häufig „Jungen“-Geschenke. Als Eltern will man da nicht der Spielverderber sein. Und spätestens in der Kita oder der Schule wird unser Sohn auf weitere Jungen treffen, die schon so klar sozialisiert sind, dass er sich mit ihnen vergleichen und womöglich auch sein Verhalten in Richtung „männlich“ anpassen wird.

Die meisten Dinge werden im Übrigen zu Unrecht einem Geschlecht zugeordnet. Fußball zu spielen, ist in etwa genauso männlich wie weiblich. Fürs Kochen oder das Spielen mit Puppen und Stofftieren, gilt dasselbe. Unser Sohn hat an vielem Freude und die soll er auch haben. Wenn er aber irgendwann von sich aus ein blaues T-Shirt haben will, hört der Spaß natürlich auf.

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