Resilienz in Krisen Uniklinik Bonn berät zum Umgang mit schweren Krankheiten

Service | Bonn · Was belastet Menschen am stärksten? Woraus können sie Kraft schöpfen? Beim kommenden Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn geht es um die Bewältigung schwerer Erkrankungen.

  Die Balance wiederfinden:  Auch der kleine Zen-Garten der Klinik für Palliativmedizin kann dabei helfen.

Die Balance wiederfinden: Auch der kleine Zen-Garten der Klinik für Palliativmedizin kann dabei helfen.

Foto: UKB/Rolf Müller

Eine schwere Krankheit bedroht das Leben unmittelbar oder begrenzt die noch verbleibende Zeit? Dies zu erfahren, ist ein Gefühl, als breche der Boden unter einem weg – als klaffe dort, wo bislang Pläne, Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft Platz fanden, plötzlich ein unübersehbares Loch. Dennoch gibt es Menschen, die auch in einer solchen existenziellen Krise die Kraft finden, mit den Ängsten und der Ungewissheit, den Schmerzen und den Einschränkungen, die die Krankheit und ihre Behandlung mit sich bringen, fertig zu werden.

Um diese Kraft, um ihre Quellen und ihr Potenzial geht es beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinkums Bonn (UKB) am Donnerstag, 15. Juli, von 18 bis 20 Uhr (wieder in Form einer öffentlichen Zoom-Konferenz). Professorin Franziska Geiser (Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), Professor Lukas Radbruch (Direktor der Klinik für Palliativmedizin) und Professorin Cornelia Richter (Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn, Systematische Theologie und Hermeneutik) sprechen an diesem Abend darüber, ob und wie es möglich sein kann, trotz Krankheit das Leben zu bejahen. Im Mittelpunkt steht dabei der Begriff der Resilienz. Dabei geht es um die Anwendung dieses Phänomens auf eine konkrete Lebenssituation – im Gegensatz und in Abgrenzung zur oft verkürzten und missverständlichen Verwendung des Wortes in der populären Lebenshilfe-Literatur.

Die Forschungsgruppe 2686 „Resilienz in Religion und Spiritualität – Aushalten und Gestalten von Ohnmacht, Angst und Sorge“, fachlich zugeordnet den Geisteswissenschaften und der Medizin in Zusammenarbeit mit Sozial- und Verhaltenswissenschaften, wird seit 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Innerhalb dieser Forschungsgruppe gibt es Teilprojekte, die unter anderem von Franziska Geiser geleitet werden (Dynamik von Resilienz in der Lebenskrise), von Lukas Radbruch (Resilienz und Kohärenz in der Palliativmedizin) und von Cornelia Richter (Kreuz und Auferstehung als Resilienz-Narrative in Theologie und ökumenischer Spiritualität). „In einem weiteren Teilprojekt vergleichen wir alttestamentliche Formen der Klage mit heutigen“, sagt die Theologin.

Was gibt einem Menschen Kraft in der Krise?

Die Forschungsgruppe untersucht Resilienz im Verhältnis dazu, was im aktuellen Gesundheitsdiskurs als „religiöse und spirituelle Dimension“ menschlichen Lebens beschrieben wird. Ihr Ziel ist es, gemeinsam „eine allgemeine religions- und spiritualitätssensible Resilienz-Theorie zur Förderung einer entsprechenden Resilienz-Praxis in Medizin und Therapie, Seelsorge und Spiritual Care“ zu erarbeiten.

 „Bei uns in der Palliativmedizin gibt es bereits eine enge Kooperation mit der Klinikseelsorge, der katholischen und der evangelischen“, sagt Radbruch. Neu ist das Angebot für Studierende von Theologie oder Medizin, als Begleitung im ambulanten Hospizdienst am Programm „Junges Ehrenamt“ der Malteser teilzunehmen. „Ich könnte ein Buch schreiben“ heißt zudem ein ehrenamtliches Projekt zur Biografie-Arbeit der Klinik für Palliativmedizin und des Vereins Bonn Light­house.

„Bei uns steht das ressourcenorientierte Denken im Mittelpunkt“, sagt Radbruch. Was gibt Kraft? Worte, Bilder oder vielleicht Musik? „Am schwersten“, so Radbruch, „fällt vielen das Loslassen. Krisen machen Angst. Und der damit verbundene Kontrollverlust ist mitunter kaum auszuhalten.“ Geiser bestätigt: „Körperliche Medizin und psychische Mitbehandlung oder Seelsorge werden meist scharf getrennt, für die Patientinnen und Patienten selbst ist das aber nicht so. Im psychosomatischen Konsiliardienst erfragen wir Belastungen, empfehlen Unterstützungsmöglichkeiten und geben Gedankenanstöße.“

Freunde und Familie können Halt geben

Das Wichtigste, sagt sie, ist es, „dazusein und zuzuhören, um zu verstehen, was gerade am stärksten belastet. Und das muss nicht unbedingt das sein, was die behandelnden Ärzte vermuten. Gesehen und wahrgenommen zu werden, kann nachweislich mehr Vertrauen in die Behandlung und auch mehr Hoffnung schenken. Wenn jemand sagt, er habe gerade keine Hoffnung mehr, könnte meine Antwort lauten, sie solange für ihn aufzuheben, bis er sie für sich wiederfinden kann.“ Auch die gegenwärtige Ohnmacht einzugestehen, kann ein Erlebnis von Selbstkontrolle sein. „Die religiöse Bitte und Antwort zugleich dazu heißt: Dein Reich komme, dein Wille geschehe“, ergänzt Richter – „im Vaterunser vorgebracht in der Hoffnung »denn dein ist die Kraft«“.

„Auf die Frage, was Halt gibt, wird immer wieder die Familie genannt“, berichtet Geiser aus ihrer ärztlichen Erfahrung. „Zugleich liegt darin aber oft auch die größte Angst – davor, was die Krankheit für die nächsten Angehörigen bedeutet. Der wichtigste Rat, den ich geben kann, ist, mit den Menschen, die einem nahestehen, offen zu sprechen.“

Wenn im Zusammenhang mit Resilienz von einem tragenden sozialen Netz gesprochen wird, bedeutet dies im Umkehrschluss aber nicht, dass jemand, der so ein Netz vielleicht nicht hat, allein an seiner Krankheit verzweifeln muss. „Das Zurückgeworfensein auf sich selbst und das, was einem wichtig ist, kann auch einen stärkenden Effekt haben und das Leben positiv beeinflussen – wie begrenzt die Zeit auch sein mag“, hebt Richter hervor. „Was jemand denkt, meint, wünscht und glaubt – das zählt.“

„Beim Messen und Erfassen, was Resilienz ausmacht, stehen wir allerdings noch am Anfang“, zieht Radbruch Bilanz. „Mit Hilfe der in unserer Forschungsgruppe erarbeiteten Kriterien wollen wir herausfinden, was Menschen in Krisen für ihre Resilienz brauchen, um ihnen in Zukunft noch gezielter Hilfe anbieten zu können.“

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