Gelenkschmerzen Gicht ist oft Veranlagung

München · Lange wurde Gicht als „Wohlstandskrankheit“ bezeichnet. Denn der reichhaltige Konsum bestimmter Lebensmittel gilt als Risikofaktor. Doch die Ursache liegt in der Regel woanders.

 Warm, geschwollen, gerötet, schmerzt bei Druck: An diesen Symptomen erkennen Ärzte einen Gichtanfall. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Warm, geschwollen, gerötet, schmerzt bei Druck: An diesen Symptomen erkennen Ärzte einen Gichtanfall. Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Foto: Christin Klose

Wie ein Blitz schlägt der Schmerz im Gelenk ein und lässt einen nicht mehr so schnell los. Ein Gichtanfall kann der Beginn einer langen Tortur sein.

An jedem Gelenk kann eine solche Attacke auftreten, relativ häufig sind die Grundgelenke der großen Zehen, sowie die Knie-, Sprung- und Handgelenke betroffen. „Gichtanfälle finden sich häufig an durch Arthrose oder einen Unfall vorgeschädigten Gelenken“, sagt die Rheumatologin Prof. Ursula Gresser, die eine auf Gicht spezialisierte Praxis in München führt.

Eine Gicht ist überwiegend die Folge einer genetischen Veranlagung, die dazu führt, dass die Niere Harnsäure schlechter ausscheidet. Der zweithäufigste Grund sei eine erworbene Nierenfunktionsschwäche, sagt Gresser. Durch die verringerte Ausscheidung der Harnsäure steigt deren Spiegel im Blut. In den Gelenken kann es zu akuten Entzündungen kommen. Rötungen, Schwellungen und Schmerzen sind die Folge.

Üblicherweise tritt die Gicht erst im Erwachsenenalter auf. „Vor allem Menschen im höheren Lebensalter zählen als Risikogruppe, da hier oft die Nierenfunktion eingeschränkt ist“, sagt Prof. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 für Rheumatologie und Immunologie am Universitätsklinikum Erlangen.

Fleischkonsum als Faktor

Weitere Risikofaktoren seien der reichhaltige Genuss von Fleisch oder bestimmten Getränken wie hefehaltigem Bier, so Schett. Diese Nahrungsmittel enthalten Purine. Bei deren Aufspaltung entsteht Harnsäure. Unter anderem deswegen galt die Gicht lange als Wohlstandskrankheit. „Damals gab es nur bei den Wohlhabenden Fleisch, und die ärmere Bevölkerung hatte zwangsläufig eine stärker auf Kohlenhydraten und Gemüse basierende fast purinfreie Ernährung“, sagt Ursula Gresser. „Heute kann sich fast jeder jedes Essen leisten.“

Ärztinnen und Ärzte erkennen einen Gichtanfall anhand seiner Symptomatik: Das Gelenk ist heiß, rot, geschwollen und schmerzt bei Druck. Außerdem werden die Harnsäure-Kristalle durch eine Punktion des Gelenks festgestellt. „Bei einer chronischen Gicht, die häufig unerkannt bleibt, helfen Ultraschall oder eine spezielle Form der Computertomographie, die Dual-Energy-CT, bei der Diagnostik“, sagt Schett. Wird eine Gicht diagnostiziert, muss gehandelt werden.

Warum eine Ernährungsumstellung nur begrenzt hilft

„Mit einer Ernährungsumstellung kommt man nicht sonderlich weit, da nur ein relativ kleiner Teil der Harnsäurevorstufen, also der Purine, aus der Nahrung kommt“, sagt Ursula Gresser. „Der größere Teil wird vom Körper selbst produziert. Außerdem gibt es heute keinen Grund mehr, sich bei Gicht durch eine einseitige Ernährung zu kasteien.“ Durch gut verträgliche und wirksame Medikamente könnten die Patienten komplett beschwerdefrei werden und alles essen, was ihnen schmeckt.

„Hilfreich wäre es aber, den Alkoholkonsum zu verringern, da Alkohol ebenfalls die Ausscheidungsfähigkeit der Niere für Harnsäure herabsetzt“, betont die Medizinerin.

Georg Schett empfiehlt, vorbeugend stets auf das Gewicht zu achten sowie einen exzessiven Genuss von Fleisch, Bier - auch alkoholfreiem - und fruktosehaltigen Getränken zu vermeiden.

Gresser sieht die beste Vorbeugung vor Gicht im frühzeitigen Erkennen einer eventuellen Veranlagung. „Am besten ist es, mal die Eltern nach Gicht in der Familie zu fragen und bei der nächsten Blutabnahme die Harnsäure mitbestimmen zu lassen“, empfiehlt sie. Da es häufig eine erbliche Erkrankung ist, können die Werte schon im jungen Alter vergleichsweise erhöht sein. Wird eine Gichtveranlagung festgestellt, sollten sich Betroffene von Spezialisten beraten lassen.

© dpa-infocom, dpa:201229-99-840667/3

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