Freizeit Inflationsopfer Wintersport? Ungewisse Aussichten

München · Wintersport ist teuer - und viele Menschen sparen wegen der hohen Inflation bei ihren Konsumausgaben. Skigebiete können zumindest auf die Besserverdiener hoffen.

Arbeiter der Bayerischen Zugspitzbahn in Garmisch-Partenkirchen bei der alljährlichen Seilbahnrevision.

Arbeiter der Bayerischen Zugspitzbahn in Garmisch-Partenkirchen bei der alljährlichen Seilbahnrevision.

Foto: Angelika Warmuth/dpa

Die Wintersportbranche vom Hotelier bis zum Sportgeschäft wird vor Beginn der nächsten Saison wegen der hohen Inflation von Unsicherheit geplagt. Die Fragen: Wird das Bedürfnis nach Spaß im Schnee so groß sein, dass die Kundschaft die hohen Preissteigerungen in Kauf nimmt?

Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass Normalverdiener sich möglicherweise einschränken werden, Besserverdiener jedoch nicht. Das lassen die Rückmeldungen über die Buchungslage in den Hotels vermuten.

„Wir haben ein ziemlich diffuses Bild, die Wintersaison lässt sich sehr schwer vorhersehen“, sagt Stefan Herzog, der Präsident des Verbands deutscher Sportfachhandel (VDS). Am Montag öffnet in München die internationale Sportartikelmesse Ispo ihre Tore, das größte Branchentreffen der Sportartikelindustrie in Deutschland. Dabei wird ein großes Gesprächsthema sein, ob und wie sich das Wachstum der Frischluft-Sportarten fortsetzen wird.

Ukraine-Krieg und Inflation

In der Corona-Pandemie zählte die Outdoor-Branche zu den Krisengewinnern. Lockdowns und sonstige Beschränkungen hatten einen Verkaufsboom bei Fitnessbekleidung, Wander- und Skitourenausrüstung oder auch Fahrrädern zur Folge. Doch Ukraine-Krieg und die hohe Inflation haben das Geschäft mit Sportartikeln im Laufe dieses Jahres in Mitleidenschaft gezogen.

„Wenn man sich die vergangenen zwei Jahre insgesamt ansieht, hat der Sport fast zehn Prozent zugelegt“, sagt Herzog. „Im ersten Halbjahr hatten wir im Sportfachhandel ein leicht zweistelliges Plus von elf, zwölf Prozent. Im zweiten Halbjahr sind die Umsätze bislang leicht zurückgegangen, oder stagnieren.“

Online-Handel im Minus

Nach starkem Wachstum in den Vorjahren leidet nun am stärksten der Versand über das Internet: „Im stationären Handel liegen wir bei Plusminus null, der Onlinehandel hat seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ein zweistelliges Minus“, sagt Herzog.

Ein plötzliches Ende des Trends zur Bewegung an der frischen Luft sieht Herzog aber nicht. „Outdoor funktioniert nach wie vor ganz gut, auch wenn es in manchen Bereichen ein bisschen abflacht.“

Im Winter hat ein gänzlich unwägbarer Faktor einen großen Einfluss: das Wetter. „Wintersportarten funktionieren auch nur, wenn Lifte laufen, das Wetter passt, insofern ist die Saison sehr schwer vorherzusehen“, sagt Herzog.

Laut Münchner Ifo-Institut ist die Stimmung im Sporteinzelhandel derzeit schlecht. In einer aktuellen Umfrage lag der Saldo der Geschäftserwartungen bei minus 77,9. Das bedeutet, dass der prozentuale Anteil der Pessimisten um 77,9 Prozentpunkte über dem der Optimisten lag - also massiv überwog. Innerhalb des Einzelhandels ist das laut Ifo-Experte Klaus Wohlrabe einer der schlechtesten Werte.

Dabei wären die Voraussetzungen eigentlich günstig: Der kommende Winter wird nach drei coronageschädigten Saisonen wahrscheinlich der erste sein, in dem das Geschäft mit dem Schnee nicht von der Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen beeinträchtigt wird.

Doch nun schlagen die hohe Inflation und der damit verbundene Einbruch der Konsumstimmung ins Kontor. Die Vorausbuchungen in den Winterurlaubsorten sind auch für Händler, Skigebietsbetreiber und -schulen ein Frühindikator, wie die Saison laufen könnte.

Die Rückmeldungen der bayerischen Hoteliers seien unterschiedlich, berichtet Thomas Geppert, der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Bayern. „Insgesamt rechnet man schon mit Einbußen von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent.“

Kurzfristige Buchungen

Ein von Pandemie und Inflation unabhängiger Trend war schon vor Corona zu beobachten: Viele Gäste buchen sehr kurzfristig. Für Weihnachten und Silvester sehe es sehr gut aus, sagt Geppert. Doch für die Zeit von Januar bis März gebe es kaum Buchungen ein- bis zweiwöchiger Skiurlaube. „Punktuell schaut es ganz gut aus, insbesondere in der Fünf-Sterne-Hotellerie“, meint Geppert.

Der mutmaßliche Grund: In teureren Unterkünften logieren eher Gutverdiener, die sich auch bei hoher Inflation nicht groß einschränken müssen. Das bestätigt auch eine Rückmeldung aus St. Moritz. Der weltberühmte Schweizer Wintersportort und seine Engadiner Nachbargemeinden sind seit jeher Ziele der Wohlhabenden, die Saison beginnt dort an diesem Samstag.

„Die vergangene Wintersaison war aus Sicht der Gesamtdestination sehr gut“, sagt Jan Steiner von der Geschäftsführung der Engadin St. Moritz Tourismus AG. „Für die kommende Wintersaison ist der Ausblick vergleichbar - aus Sicht der Hoteliers und Leistungsträger ist der aktuelle Buchungsstand gut bis sehr gut.“ Die Schweizer profitierten schon in den vergangenen zwei Wintern von vergleichsweise lockeren Corona-Beschränkungen, nun kommt ihnen eine wesentlich niedrigere Inflationsrate von an die drei Prozent zugute.

In Österreich verläuft die Teuerung ähnlich rasant wie in Deutschland. In Tirol seien drei von vier Betrieben mit der Buchungslage über Weihnachten und bis Mitte Januar sehr zufrieden, sagt Karin Seiler, die Chefin der Tirol Werbung in Innsbruck. Gerade deutsche Gäste hätten offenkundig sehr große Lust auf einen Urlaub in den Alpen. „Und der Schneefall in den letzten Tagen hat auch geholfen“, sagt Seiler. Aber die Mehrkosten bei der Energie könnten viele Hotels und Pensionen trotz Preiserhöhungen - nach einem ersten Überblick zwischen 7 und 15 Prozent - kaum ausgleichen. „Der Umsatz dürfte stimmen, aber der Gewinn wird deutlich niedriger sein.“

Kosten sparen

Die Seilbahn- und Skigebietsbetreiber - in Österreich ebenso wie in Bayern - versuchen, Kosten zu sparen. So können die Skigebiete an Tagen mit wenig Andrang weniger Lifte fahren lassen, das Tempo der Bahnen reduzieren oder Nachtskilauf und Rodeln bei Flutlicht streichen. Eine weitere Option ist reduzierte Beschneiung.

Ein grundsätzlicher Verzicht auf Schneekanonen kommt jedoch für die Skigebiete nicht in Frage. „Das ist kein Luxus für Freizeitbetriebe, sondern das ist die Produktionsfläche für die Wintersaison“, sagt Franz Hörl, Österreichs oberster Seilbahn-Vertreter. „Wenn wir keine Pisten haben, können wir den Tourismus zusperren“.

© dpa-infocom, dpa:221125-99-656581/4

(dpa)
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