Psychologin Prof. Kathrin Rothenberg-Elder Was ist Klimaangst und wie geht man am besten damit um?

Interview | Bonn · Klimaangst – ein Begriff, der in den vergangenen Jahren immer häufiger in den Diskursen rund um den Klimawandel auftaucht. Doch was genau verbirgt sich dahinter und wie geht man am besten damit um? Das erklärt die Psychologin Kathrin Rothenberg-Elder.

 Als Klimaangst bezeichnet man die Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen.

Als Klimaangst bezeichnet man die Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen.

Foto: Adobe Stock

In einer Studie aus 2022 des Marktforschungsinstituts Ipsos zu „What Worries the World“ landete der Klimawandel bei den größten Sorgen der Deutschen auf Platz vier – hinter steigenden Preisen, Armut und sozialer Ungleichheit sowie Krieg und militärischen Konflikten. Besonders junge Menschen sind von Klimaangst betroffen. Sie tragen die Last einer unsicheren Zukunft, in der die Umweltbedingungen möglicherweise drastisch verändert sind. Eltern und Erziehungsberechtigte können hier eine wichtige Rolle einnehmen, indem sie offen mit Heranwachsenden über Herausforderungen sprechen, eine sichere Umgebung schaffen und Unterstützung bieten.

Die Psychologin und Professorin Kathrin Rothenberg-Elder ist aktiv bei Scientists4Future und befasst sich intensiv mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Psyche. Scientists4Future ist ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, die ihr Fachwissen im Umgang mit der Klimakrise einbringen. Sie ist zudem Mitgründerin des Projekts Empowerment für Klimaaktivistinnen in Bonn.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Psyche aus und was steckt hinter der sogenannten Klimaangst?

Prof. Kathrin Rothenberg-Elder: Klimaangst bezeichnet eine Form der Angst oder Sorge, die sich auf die existenziellen Bedrohungen bezieht, die durch den Klimawandel entstehen. Anders als andere Ängste oder Sorgen, die auf individuellen Erfahrungen oder spezifischen Situationen beruhen, ist Klimaangst eine kollektive Besorgnis über die Zukunft unseres Planeten und die Lebensbedingungen kommender Generationen. Das Thema Klima wird uns unser ganzes Leben begleiten – anders als zeitgebundene Krisen wie Verlust, Trauer oder Prüfungen. Daher sollte man früh einen eigenen Weg finden, mit der Thematik umzugehen. Tun wir das nicht, gestehen wir ihnen zu viel Raum und permanente Beeinflussung unserer Psyche und Gesundheit ein – wie Fliegen, die um uns kreisen.

Wie äußert sich Klimaangst und wie entsteht sie?

Rothenberg-Elder: Das ist von Fall zu Fall anders. Manche können zum Beispiel aus Sorge schlecht schlafen, haben schlechten Sex, fühlen sich deprimiert und verunsichert und können das, was sie haben, nicht genießen. Die scheinbare Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der Herausforderungen und dem Handeln auf individueller und gesellschaftlicher Ebene kann zu einem Gefühl der Ohnmacht und Frustration führen, was wiederum Ängste verstärkt. Die Entstehung von Klimaangst wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels, verstärkt durch mediale Berichterstattung, tragen zur Sensibilisierung bei. Während einige Menschen durch Angst motiviert werden, aktiv zu werden und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, können andere in einer Paralyse verharren, gelähmt vor Angst. Diese emotionalen Reaktionen können dazu führen, dass Menschen entweder bewusst handeln, um einen positiven Einfluss auf die Umwelt zu nehmen, oder aber sich aus Selbstschutz von der Thematik distanzieren. Die Bedrohung des eigenen Wohlbefindens, der sozialen Bindungen und der kulturellen Identität ist dabei ausschlaggebend. Die Ungewissheit über zukünftige Entwicklungen und die Tragweite individuellen Handelns verstärken diese emotionalen Reaktionen.

Was kann man als Betroffener gegen Klimaangst tun?

Rothenberg-Elder: Zunächst ist es wichtig, sich der Thematik bewusst zu werden und informierte Entscheidungen zu treffen. Die Frage, ob ich etwa Coffee-to-go-Becher verwende oder nicht, ist letztendlich nicht sehr bedeutsam, die Frage der energetischen Sanierung meiner Wohnung, das Umstellen auf umweltfreundliche Mobilität dagegen sehr. Wenn ich beschränkte Kraft zur Verfügung habe, rate ich also zu dem Handeln mit dem größeren Hebeleffekt. Kann ich mein Handeln konsequent danach ausrichten? Es geht um unsere Lebensqualität und die Art, wie wir Wohlstand definieren. Das sind große Fragen, es erfordert Mut und Weitsicht, sich damit auseinanderzusetzen. Es geht auch nicht immer nur um Verzicht. So kann ich mit weniger Sachen weggehen vom Güterwohlstand, zu mehr Zeitwohlstand, um nur ein kleines Beispiel zu nennen. Es ist wichtig, nicht in Panik zu verfallen, sondern ins Handeln zu kommen. Dabei hilft es, Gemeinschaften aufzubauen, in denen Betroffene Sorgen teilen. Mit der Initiative Empowerment für Klimaaktivistinnen (EfA) unterstützen wir Frauen in Bonn und Umgebung, die sich mit Klimaangst auseinandersetzen und positive Veränderungen anstreben. Frauen sind, das ist belegt, die größten Verlierer der Klimakrise, deshalb verdienen sie auch besondere Unterstützung. Gegebenenfalls bieten Selbsthilfegruppen, wie wir sie mit unserem EfA-Programm anbieten, fachlich geprüften Austausch von Erfahrungen und die gegenseitige Unterstützung bei der Bewältigung von Ängsten. Die nächste Session für den Raum Köln und Bonn findet am 5. September statt. Wichtig ist, mit sich selbst fürsorglich umzugehen und aktiv Kräfte einzuteilen, um hier nicht in ein Burn-out zu gelangen. Irgendwann ist Schluss, und man muss auch mal nur an sich denken dürfen, um danach wieder aktiv für andere da sein zu können. Zudem spielt die mediale Berichterstattung über Klimawandel eine große Rolle. Hier empfehle ich, nur sehr ausgewählt Nachrichten zu schauen, oder vielleicht auch eine Zeit lang einmal gar nicht – bis man wieder einen guten Umgang damit gefunden hat. Sensationsberichterstattung und Untergangsszenarien können Furcht schüren. Es ist wichtig, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen und Lösungsansätze zu präsentieren, um die Motivation zum Handeln zu stärken.

Was raten Sie Betroffenen außerdem?

Rothenberg-Elder: Insgesamt muss es eine angemessene Balance zwischen Sorge und Handeln geben. Es geht darum, Ängste ernst zu nehmen, sie zu teilen und in positive Aktionen umzuwandeln, um gemeinsam eine nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Lasst uns schauen, wie das Ganze Spaß macht und es positiv umkehren! Ein solches Beispiel ist der jährlich stattfindende Kölner Geisterzug zu Karneval, der satirisch und humorvoll aufklärt. Und bitte keine Hemmschwelle haben, wenn es um die psychische Gesundheit geht und darum, sich Hilfe zu holen – wenn man krank ist, sollte man sich behandeln lassen und nicht zu lange warten! In akuten Fällen hilft auch die Telefonseelsorge (kostenfrei unter 0800/1110111).

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