Leichtathletik Lauf-Veranstalter nach Corona noch nicht aus der Krise
Berlin · An diesem Sonntag gehört Berlin wieder den Läuferinnen und Läufern. Der Marathon ist eine der größten Veranstaltungen in der Stadt und nach der Corona-Krise auf dem Weg zurück zu altem Glanz.
Der Marathon ist eine Durststrecke - nicht nur für alle Laufbegeisterten. Die Corona-Krise hat vielen Veranstaltern von großen und kleineren Hobbyläufen in Deutschland schwer zugesetzt, und nicht alle haben sie so glimpflich überstanden wie die Organisatoren in Berlin. Dort haben sich mehr als 45.000 Läuferinnen und Läufer für die 42,195 Kilometer durch die Hauptstadt angemeldet.
Das ist nach Angaben des Veranstalters das Niveau von 2019, also wenige Monate vor dem Beginn der Corona-Pandemie. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Kennzahlen spricht Geschäftsführer Jürgen Lock von „80 Prozent von dem, wo wir 2019 waren“. Lock peilt für 2024 wieder das einstige Niveau an und hofft dafür auf ein Ende auch der Wirtschaftskrise, die durch den Krieg in der Ukraine mitausgelöst wurde. „Wir sind ganz gut durchgekommen“, sagt Lock mit Blick auf die Corona-Jahre und freut sich über treue und finanzstarke Sponsoren wie den Autohersteller BMW.
Schindler: „Die Situation ist schon schwierig“
Der Berlin-Marathon nehme aufgrund seines Etats eine Sonderrolle ein, findet Renndirektor Jo Schindler vom ebenso traditionsreichen Frankfurt-Marathon, der nach zwei Jahren Pause am 30. Oktober wieder stattfindet. „Die Situation ist schon schwierig“, räumt Schindler ein. „Das Budget ist nicht das, was es war.“ Nicht immer wurden oder werden auslaufende Verträge angesichts von Corona- oder Ukraine- und Energiekrise verlängert.
„Langjährige Partner sind nicht mehr existent“, sagt Ralf Eger vom Magdeburg-Marathon, wo am 9. Oktober insgesamt etwa 4500 Teilnehmer nach einst 6000 erwartet werden. Damit gehört der Lauf entlang der Elbe - wo wie in Frankfurt auch kürzere Distanzen angeboten werden - zu den mittelgroßen Veranstaltungen. Die fehlenden Einnahmen könnten in diesem Jahr nicht mehr durch erhöhte Startgebühren aufgefangen werden. Derzeit kostet ein Marathon-Startplatz 45 Euro, 35 Euro sind es für den Halbmarathon und 25 Euro für die zehn Kilometer. „Im nächsten Jahr müssen wir erhöhen“, sagt Eger. Da Rücklagen gebildet wurden, prophezeit er: „Wir werden es durchstehen.“
Alle hätten einen Rückgang, erklärt Schindler. Während das Zauberwort Marathon offenbar noch Anziehungskraft besitzt, sind bei ihm in Frankfurt kürzere Strecken wie die zehn Kilometer betroffen. Zahlen des Lauf-Experten Urs Weber von der Fachzeitschrift „Runner's World“ belegen durchweg rückläufige Teilnehmerzahlen bei den größten Veranstaltungen in diesem Jahr, besonders stark betroffen sind seinen Erhebungen zufolge die Rückgänge bei den vor der Corona-Krise sehr beliebten Firmenläufen. Dort werden meist kurze Distanzen gelaufen, die sich ideal für Einsteiger eignen.
Aufgrund steigender Kosten drohen höhere Startgebühren
Die geringeren Teilnehmerzahlen erscheinen paradox, denn Laufen als individueller Sport im Freien eignete sich während der Corona-Krise ideal als Möglichkeit zur Bewegung. Tatsächlich, da sind sich die Experten einig, haben viele Menschen in den vergangenen zweieinhalb Jahren neu mit dem Laufen begonnen. Nur scheinen sich viele noch nicht entschlossen zu haben, einmal einen Hobby-Wettkampf zu wagen. Ein bis zwei Jahre würde dies dauern, schätzt Schindler.
Stefanie Eichel vom Hannover-Marathon sieht dies als Chance, mit neuen Themen wie Mobilität und Nachhaltigkeit zu punkten und spricht von vielen Teilnehmenden, die man noch nicht kenne. „Die müssen wir erstmal erreichen. Das bedeutet, dass wir raus müssen“, sagt Eichel. Sie gehört auch dem Vorstand von German Road Races an, einer Interessensgemeinschaft der Lauf-Veranstalter in Deutschland.
„Es müssen wieder alle auf den Weg gebracht werden“, sagt Ralf Eger vom Magdeburg-Marathon. Doch wenn angesichts stark steigender Preise auch für Dinge wie mobile Toiletten, Veranstaltungsservice und Sicherheit die Startplätze teurer werden, könnte die Zurückhaltung anhalten. Dann könnte die bis 2024 erwartete Durststrecke noch länger dauern und manchen Veranstalter zum Aufgeben zwingen.
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