Vorsorgliche Brustentfernung kann Leben retten

Berlin/Tübingen · US-Star Angelina Jolie, für viele ein Inbegriff kurvenreicher Weiblichkeit, hat sich aus Angst vor Krebs die Brüste amputieren lassen. Auch in Deutschland wählen immer mehr Frauen diesen Weg. Experten antworten auf Fragen zum Thema:

 Die Mammographie ist eine Methode zur Früherkennung von Brustkrebs. Foto: Jan-Peter Kasper

Die Mammographie ist eine Methode zur Früherkennung von Brustkrebs. Foto: Jan-Peter Kasper

Foto: DPA

Der Schnitt ist radikal - aber möglicherweise lebensrettend. Frauen, die ein sogenanntes "Brustkrebsgen" in sich tragen, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Eine Vorsorgemöglichkeit ist, sich die Brust präventiv abnehmen zu lassen. Das tat jetzt US-Schauspielerin Angelina Jolie ("Lara Croft") - und machte den Schritt mutig öffentlich. Experten klären über das Thema auf:

Welche Art von Krebs kann einen solchen Eingriff erfordern?

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 50 000 Frauen an Brustkrebs, etwa sieben Prozent von ihnen haben eine familiäre Anlage dazu: Sie haben die mutierten "Brustkrebsgene" BRCA 1, BRCA oder das jüngst entdeckte RAD51C. Oft sind in ihren Familien bereits andere Frauen - oder auch Männer - an Brustkrebs erkrankt oder gestorben. Für diese Frauen kann wegen des erhöhten familiären Risikos ein vorsorgliche Brustamputation (Mastektomie) in Betracht kommen.

Wie hoch ist das Risiko, mit diesen Genen tatsächlich an Krebs zu erkranken?

Etwa 70 bis 80 Prozent der Frauen, bei denen die mutierten Gene nachgewiesen wurden, erkranken irgendwann in ihrem Leben an Brust- oder Eierstockkrebs. Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung bekommen zeitlebens nur zehn bis zwölf Prozent der Frauen Krebs. Frage: Wie kann ich mich über ein solches Risiko informieren? Falls es in der Familie bereits Fälle gibt, können Frauen sich an eines der 15 spezialisierten Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs bundesweit wenden. Dort werden sie ausführlich beraten und können einen Gentest machen lassen. Wird tatsächlich ein "Brustkrebsgen" nachgewiesen, greift ein intensives Vorsorgeprogramm.

Welche Früherkennungs- und Vorsorgemethoden gibt es?

Risikopatientinnen werden in den Brustkrebs-Zentren halbjährlich untersucht: Gestaffelt nach ihrem Alter greifen Ultraschall, Mammographie und gegebenenfalls auch Kernspin eng ineinander. "Das Gros der Frauen wählt diesen Weg", berichtet Expertin Kristin Bosse vom Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Tübingen. "Aber die Zahl derjenigen, die sich für eine vorsorgliche Brustamputation entscheidet, steigt seit Jahren. Auch deshalb, weil die Operationsmethoden immer fortschrittlicher, die kosmetischen Ergebnisse immer besser werden." Etwa jede fünfte Patientin mit Genmutation macht in Deutschland mittlerweile von dieser Möglichkeit Gebrauch. Danach liegt ihr Risiko, Brustkrebs zu bekommen, bei nur mehr fünf Prozent. Eine prophylaktische Chemo-Behandlung hat sich nach Worten Bosses bislang nicht durchgesetzt.

Wird die Brust wieder aufgebaut? Welche Methoden gibt es?

In den meisten Fällen wird die Brust gleich nach der Entnahme des Brustdrüsengewebes wieder mit einem Implantat aufgebaut - in einer einzigen Operation. "Die Patientin entscheidet zuvor gemeinsam mit dem Arzt, ob die Brustwarze erhalten werden soll", sagt Bosse. Für letzteres muss auch ein Teil der Brustdrüse bleiben - was das Risiko für Krebs wieder leicht erhöhen kann. Implantate sind unkompliziert einzusetzen, können im Verlauf der Jahre aber Probleme bereiten und sich schmerzhaft verkapseln. Deshalb entscheidet sich ein kleinerer Teil der Frauen dafür, die Brust mit eigenem Körpergewebe wieder aufzubauen. "Das ist etwas für die Ewigkeit", sagt Bosse. Allerdings sind dazu mehrere Operationen nötig, auch zur Entnahme des Unterhautfettgewebes an anderen Körperstellen.

Wer bezahlt das?

Der Gentest, der mehrere Tausend Euro kostet, wird von den Krankenkassen gezahlt. Auch das intensive Vorsorgeprogramm für Risikopatienten übernehmen die Kassen. Für die prophylaktische Brustentfernung mit anschließendem Wiederaufbau der Brust sollte bei den Kassen vorher ein Gutachten des Brustzentrums und ein Kostenvoranschlag eingereicht werden. "Aber dann gibt es in der Regel keine Probleme, dass die Kassen zahlen", sagt Bosse.

Brustkrebs bei prominenten FrauenAnastacia: Bei der US-Sängerin ("Left Outside Alone", "I Belong to You") wurde im Februar 2013 erneut Brustkrebs diagnostiziert. Sie musste ihre geplante Europa-Tournee absagen. Zum ersten Mal war sie 2003 erkrankt. Der Krebs schien besiegt, brach nach zehn Jahren aber wieder aus. Auf Facebook schrieb sie, der Kampf gegen die Krankheit werde lange dauern.

Kathy Bates: Die Oscarpreisträgerin ("Misery") ließ sich im September 2012 nach einer Brustkrebsdiagnose beide Brüste abnehmen. Sie vermisse ihre Brüste aber nicht so sehr wie ihre frühere TV-Serie "Harry's Law", scherzte sie bei Twitter. Die Anwaltsserie war beim Sender NBC abgesetzt worden. Bates hatte schon mal öffentlich über eine Krebserkrankung gesprochen. 2003 war sie an Eierstockkrebs erkrankt.

Christina Applegate: Die US-Schauspielerin ("Eine schrecklich nette Familie") ließ sich im August 2008 nach einer Brustkrebsdiagnose "vorsichtshalber" beide Brüste amputieren. "Sie haben alles wegbekommen und ich werde ganz sicher nicht an Brustkrebs sterben", sagte sie in einem Interview. Als Grund für die radikale Operation führte sie auch die Erkrankung ihrer Mutter an, die viele Jahre lang mit Brustkrebs zu kämpfen hatte.

Kylie Minogue: Der Popstar aus Australien wurde im Mai 2005 erfolgreich an Brustkrebs operiert. Kylie habe "die beste Behandlung der Welt für ein Mädchen mit Brustkrebs im Frühstadium" erhalten, sagte die Chirurgin Jenny Senior. Eine anschließende sechs Monate dauernden Chemotherapie war nach Auskunft der Ärzte "eindeutig erfolgreich". "Man kann das überstehen, man kann es", sagte sie in ihrem ersten großen TV-Interview nach ihrer Behandlung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort