Grippe trifft auf Corona Was passiert während der Influenzasaison?

Berlin · Winterzeit ist Grippezeit: Die Kombination von Covid-Patienten und Grippe-Kranken droht das Gesundheitssystem schwer zu belasten. Die Corona-Vorsicht könnte aber die Grippewelle auch eindämmen.

 Eine Schaufensterpuppe mit Atemmaske steht im Schaufenster einer Apotheke. (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Eine Schaufensterpuppe mit Atemmaske steht im Schaufenster einer Apotheke. (Symbolbild). Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Foto: Sebastian Gollnow

Im Herbst beginnt die Grippesaison. Dann haben Ärzte voraussichtlich vermehrt mit zwei schweren Infektionskrankheiten zu tun: Covid-19 und Grippe. Was haben beide gemeinsam - und was unterscheidet sie?

Was passiert, wenn die Corona-Pandemie auf eine Grippewelle trifft?

Nach Ansicht des Leiters der Abteilung für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Gérard Krause, würde eine nennenswerte Grippe-Aktivität das Gesundheitswesen herausfordern. Denn dann könnte es mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen geben, die versorgt und getestet, teils in Krankenhäuser und auf Intensivstationen gebracht werden müssten.

Wie stark die Grippesaison ausfallen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Es gibt Jahre mit starken und mit weniger starken Grippewellen. In der vorigen Saison gab es relativ wenige Kranke, zwei Jahre davor sehr viele. Influenzaviren, die die Grippe hervorrufen, zirkulieren nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai. Grippewellen - also eine erhöhte Influenza-Aktivität - beginnen meist im Januar und dauern drei bis vier Monate.

Wie kann man sich vor einer Ansteckung mit Influenza schützen?

Prinzipiell mit einer Impfung. Gegen das Coronavirus ist hingegen bislang kein Impfstoff erhältlich. Weltweit gibt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weit mehr als 100 Impfstoffprojekte, mehr als 30 sind in klinischer Prüfung.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) am RKI empfiehlt die Grippeimpfung nur für Risikogruppen. Das sind etwa Menschen über 60, Frauen ab der 14. Schwangerschaftswoche, Personen mit Vorerkrankungen und Menschen, die berufsbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.

Eine Grippeimpfung hilft Krause zufolge nicht nur den geimpften Menschen aus den Risikogruppen, sondern entlastet indirekt auch bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie: Denn so müssten weniger Patienten mit Symptomen behandelt oder vorsorglich in Quarantäne geschickt werden, weniger Leute landeten in Krankenhäusern und auf Intensivstationen.

Wenn eine Grippeimpfung Engpässe in Krankenhäusern verhindert - warum wird sie nicht für die ganze Bevölkerung empfohlen?

Weil es laut Stiko voraussichtlich nicht genügend Impfstoff gibt. Für die Saison 2020/21 würden rund 25 Millionen Dosen zur Verfügung stehen - allein für die Versorgung jener Menschen, denen die Stiko die Impfung empfiehlt, bräuchte es aber rund 40 Millionen Dosen. Eine Ausweitung der Empfehlung auf die Gesamtbevölkerung könnte also zu einer Unterversorgung der Risikogruppen führen. „Weil dann alle möglichen Betriebe ihre eigentlich gesunden Mitarbeiter, die keine Risikofaktoren haben, impfen“, sagt Krause. „Und dann bleibt am Ende vielleicht für die Altersheime nicht mehr genug, oder sie bekommen es später. Das wäre ja tragisch.“

Gibt es weitere Wechselwirkungen zwischen Covid-19 und Influenza?

Die Erreger von Covid-19 und Grippe werden auf ähnlichem Weg übertragen - folglich helfen auch die gleichen Schutzmaßnahmen. Krause geht davon aus, dass etwa Händewaschen, Abstand Halten und ein Mund-Nasen-Schutz auch gegen die Verbreitung der Grippe helfen. „Wir werden vielleicht - so paradox das klingt - im kommenden Winter weniger schwere Atemwegsinfektionen haben als die Jahre zuvor“, sagt Krause. „Wenn wir denn das Verhalten so beibehalten.“

Wie unterscheiden sich die Krankheiten bei Verlauf und Behandlungsdauer?

Der Anteil schwerer Verläufe ist bei Covid-19-Patienten deutlich höher als bei Grippe-Patienten. Das geht aus einer aktuellen RKI-Studie hervor, die Covid-19-Patienten mit Grippe-Erkrankten verglich, die jeweils ins Krankenhaus mussten. Im Schnitt blieben Covid-19-Patienten länger in stationärer Behandlung und öfter und länger auf der Intensivstation. 22 Prozent der Covid-19-Patienten, aber nur 14 Prozent der Grippe-Patienten mussten an Beatmungsgeräte angeschlossen werden.

Kann man die Zahlen der Todesfälle vergleichen?

Die absoluten Todeszahlen für Corona und Influenza kann man kaum seriös miteinander vergleichen. Sie werden unterschiedlich erhoben. Als Covid-19-Todesfall gelten für das RKI Personen, „bei denen ein laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind“. Erfasst werden sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung gestorben sind, als auch Menschen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, ob das Virus die Todesursache war.

Weil bei weitem nicht alle Todesfälle, die mit Influenza zusammenhängen, erkannt werden, behilft man sich hier laut RKI mit einer statistischen Erhebung: Die Zahl der Influenza-Toten wird errechnet, indem man von der Zahl aller Todesfälle während einer Influenzawelle die Zahl jener Todesfälle abzieht, die es ohne Influenzawelle gegeben hätte - diese wird aus historischen Daten berechnet.

Todesfälle von Patienten, die wegen ihrer Krankheit ins Krankenhaus mussten, hat das RKI in einer Studie genauer untersucht. Demnach starben 21 Prozent der Covid-19-Patienten in stationärer Behandlung, bei den Grippe-Patienten waren es 12 Prozent.

Lassen sich die Symptome vergleichen?

Eine Unterscheidung von Grippe- und Covid-19-Symptomen kann schwierig sein. „Die Symptomatik kann insbesondere in der Frühphase der Infektion sehr ähnlich sein“, sagt die Virologin Sandra Ciesek von der Universität Frankfurt. Ohne einen Test könnten die Symptome gerade in diesem Stadium nicht sicher unterschieden werden.

Theoretisch können Labore künftig Proben gleichzeitig auf Corona- und Influenzaviren untersuchen. Dafür geeignete Tests sollen nach Angaben von Herstellern in Kürze in Deutschland verfügbar sein.

Der ideale Zeitpunkt für eine Grippeschutzimpfung liegt im Zeitraum Ende Oktober und Anfang November. Denn die optimale Schutzwirkung der Impfung setzt rund zwei Wochen nach dem Stich ein und nimmt nach etwa drei Monaten langsam ab, erläutert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, Prof. Bernd Salzberger.

Oft beginnen Grippewellen - also eine erhöhte Aktivität von Influenzaviren - zum Anfang des Jahres. Weil sie anschließend drei bis vier Monate dauern können, kann eine Impfung auch nach Anfang November sinnvoll sein - also zum Beispiel im Dezember oder sogar noch im Januar, wenn man es bis dahin nicht gemacht hat.

Was aus Sicht des Infektiologen aber für eine eher frühe Impfung spricht: „Wir sehen immer wieder, dass Patienten und Ärzte in Deutschland bei Erkältungskrankheiten nicht impfen mögen“, so Salzberger. Man könnte zwar durchaus auch Anfang Dezember gut impfen, aber dann laufe häufiger mal bei Patienten die Nase - und dadurch wird eventuell der Pieks weiter nach hinten verschoben. Dann sei es besser, etwas früher als überhaupt nicht zu impfen, so der Experte.

© dpa-infocom, dpa:200916-99-582601/3

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