Tante-Emma-Laden 2.0 Dorfläden in Zeiten von Corona besonders geschätzt

Bolzum/Kirchlinten · Wenn die Betreiber des letzten Geschäfts in kleinen Orten aufgeben, finden sich oft keine Nachfolger. Eine Lösung sind von engagierten Bürgern geführte Dorfläden. Mit Lieferservice für Senioren oder Ladesäulen für E-Autos machen sie sich fit für die Zukunft.

 Die kleinen Geschäfte sind häufig auch ein sozialer Treffpunkt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die kleinen Geschäfte sind häufig auch ein sozialer Treffpunkt. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Foto: Julian Stratenschulte

Als Reaktion auf Supermarkt-Schließungen auf dem Land gibt es immer mehr von Bürgerinnen und Bürgern gegründete Dorfläden. Bundesweit sei ihre Zahl seit 2015 von rund 200 auf etwa 300 gestiegen, sagte Günter Lühning, erster Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden.

Die Geschäfte haben oft ein kleines Café und sind sozialer Treffpunkt, wenn aus dem Ort schon der Bäcker und das Gasthaus verschwunden sind.

Längst ein nachhaltiger Trend

„Es ist keine Modeerscheinung, sondern ein nachhaltiger Trend geworden, auch wenn es immer schwerer wird, eine schwarze Null zu schreiben“, sagte Lühning, der zu den Gründern des vor 20 Jahren eröffneten Dorfladens in Otersen gehört. Der Laden im Landkreis Verden zählte zu den ersten in Deutschland.

Während des Lockdowns im Frühjahr und seit November seien die Umsätze der Dorfläden bei den Lebensmitteln um 10 bis 30 Prozent gestiegen, berichtete Lühning vom Austausch im Netzwerk der Betreiber. Die Kunden zeigten in der Pandemie ihre Wertschätzung. „Gut, dass wir euch vor Ort haben“, sei oft zu hören.

Vom örtlichen Dorfladen beliefern lassen

In der Pandemie können sich vielerorts Senioren und Risikogruppen vom örtlichen Dorfladen beliefern lassen. „Bei uns wird das allerdings kaum angenommen“, sagte Frauke Lehrke, Leiterin des Dorfladens Bolzum bei Hannover. „In der Pandemie ist die Stimmung bei vielen Kunden bedrückt, weil Frühstücks-Stammtische und Veranstaltungen ausfallen.“ Gerade ältere Menschen ließen sich deshalb den persönlichen Schnack an der Käsetheke oder Kasse nicht entgehen.

Wollen die Betreiber die Tante-Emma-Läden der Nachkriegszeit bewahren? Laut Lühning setzen sie vielmehr auf Zukunftsthemen wie regionale Produkte und Nachhaltigkeit. Der Dorfladen Otersen etwa hat einen kleinen Elektrobus, vergrößert im Frühjahr seine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und plant drei Ladesäulen für E-Autos. Für die Investition gebe es schon Darlehens-Zusagen in sechsstelliger Höhe von den Mitgliedern, berichtete der 59-Jährige.

Kunden können Teilhaber werden

In vielen Fällen verkaufen die Initiatoren von Dorfläden Anteilsscheine, die Kunden können Teilhaber werden. Kommunen fördern oft die Gründungen. Nach Angaben der Bundesvereinigung befinden sich etwa die Hälfte der aktuell rund 300 Dorfläden in Bayern. Jeweils etwa 30 gebe es in Baden-Württemberg und Niedersachsen, jeweils circa 25 in Nordrhein-Westfalen sowie in Rheinland-Pfalz mit dem Saarland, etwa 10 in Hessen. In Schleswig-Holstein gibt es 40 MarktTreffs, die von der Landesregierung in Kiel gefördert werden - einige davon sind bürgerschaftlich organisiert. Zuletzt gab es laut Lühning mehrere Gründungen in Ostdeutschland.

© dpa-infocom, dpa:210119-99-82780/6

(dpa)
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