Urteil über Sparverträge Streit um Prämienspar-Zinsen geht in neue Runde

Leipzig · Prämiensparverträge waren bei Kunden und Bankberatern beliebt. Mittlerweile sind die Verträge wegen falscher Zinsklauseln zu einem Problemfall geworden. Jetzt werden neue Urteile erwartet.

 Sparen soll sich eigentlich auszahlen. Mit alten Prämiensparverträgen haben Kunden aber derzeit oft Ärger. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Sparen soll sich eigentlich auszahlen. Mit alten Prämiensparverträgen haben Kunden aber derzeit oft Ärger. Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn

Foto: Andrea Warnecke

Langfristiges Sparen lohnt sich: Mit dieser Aussage lockten Banken und Sparkassen vor Jahren viele Kunden an. Das Geschäftsmodell: Kunden unterschrieben Sparverträge mit langer Laufzeit und bekommen zusätzlich zum Zins eine jährliche Prämie, die ansteigt, je länger der Vertrag läuft.

In Niedrigzins-Zeiten sind diese Verträge für Banken und Sparkassen zu einer Belastung geworden. Oft wurden alte Verträge einfach gekündigt. Wurde die höchste Prämienstufe erreicht, geschieht das zu Recht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat.

Umstritten ist nach wie vor die Praxis, wie die Geldinstitute die Zinsen angepasst haben. Das muss eigentlich fair und nachprüfbar geschehen, erklärt die Stiftung Warentest . In der Praxis ist das aber oft nicht der Fall. Am Mittwoch wurden zwei neue Urteile des Oberlandesgerichts Dresden gefällt (Az.: 5 MK 2/20 und 5 MK 3/20). Die Klauseln in den betroffenen Verträgen müssen nun geändert werden. Beendet ist der Streit damit nicht.

Worum geht es?

Eigentlich muss ein Kunde bei einem Sparvertrag mit einem variablen Zins erkennen können, wovon sein Vertragszins abhängt, zum Beispiel welchen Referenzzins die Bank zugrunde legt. Genau das ist aus Sicht von Verbraucherschützern aber oft nicht der Fall.

Obwohl der Bundesgerichtshof diese Sichtweise grundsätzlich bestätigt hat, landen viele Fälle nach wie vor vor Gericht. „Die Thematik gleicht einem Marathon“, sagt Michael Hummel, Justiziar der Verbraucherzentrale Sachsen .

Welche Verträge sind betroffen?

Es geht um langfristige Sparverträge, die in den 1990er und 2000er Jahren im ganzen Bundesgebiet abgeschlossen wurden. Bei den Sparkassen hießen die Verträge oft „Prämiensparen flexibel“, die Volksbanken nannten diese Verträge oft „Bonus- oder Zielsparplan“.

Das Prinzip der Produkte ist ähnlich: Der Zins setzt sich meist aus einem variablen Grundzins und einer vereinbarten Prämie zusammen. „Diese Prämie steigt, je länger der Vertrag besteht, damit die Kunden möglichst lange dabei bleiben“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Die variablen Sparzinsen sollten der allgemeinen Zinsentwicklung angepasst werden. „Bei vielen Verträgen haben die Institute die Zinsen bereits auf bis zu 0,01 beziehungsweise 0,001 Prozent gesenkt“, so Nauhauser. Allerdings sind die Zinsanpassungsklauseln in fast allen Verträgen rechtswidrig.

Die Folge: Kunden werden meist zu wenig Zinsen gutgeschrieben. „Dabei geht es aufgrund der langen Vertragszeiten um deutlich mehr als nur Peanuts“, sagt Hummel. „Bei der Sparkasse Meißen nach unseren Berechnungen im Durchschnitt um immerhin 4700 Euro und bei der Sparkasse Vogtland um durchschnittlich 2400 Euro pro Vertrag.“ Nach den aktuellen Urteilen können Kunden hier auf Nachzahlung hoffen.

Wie erkennt man, ob eine Klausel rechtswidrig ist oder nicht?

„Ein Kunde muss erkennen können, wovon sein Vertragszins abhängt, also welchen Referenzzins die Bank zugrunde legt und wann und wie genau sie den Zins ändern wird“, sagt Niels Nauhauser.

In der Praxis aber wird entweder auf den Preisaushang der jeweiligen Bank verwiesen oder es ist nur allgemein von einem Zehn-Jahres-Zinssatz die Rede. „Kunden wissen dann aber nicht: Welcher Zinssatz ist denn genau maßgeblich?“

Michael Hummel ergänzt: „Immer dann, wenn die Klauseln sehr kurz und wenig aussagekräftig sind, kann das ein erstes Indiz sein.“ Auch wenn die Klauseln in Verträgen aus den 90er Jahren nie angepasst wurden, deutet sich seiner Ansicht nach an, dass sie nicht korrekt sind.

Was können Betroffene tun?

Wer einen Vertrag mit intransparenter Zinsanpassungsklausel hat, kann von seinem Geldinstitut eine Nachberechnung der Zinsen verlangen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg stellt dazu einen Musterbrief bereit, auch die Stiftung Warentest bietet im Internet eine Formulierungshilfe an.

Oft hat ein solches Schreiben schon Erfolg, weiß Niels Nauhauser aus Erfahrung. „Einige Institute zahlen nach.“ Allerdings verhalten sich die Institute bundesweit recht unterschiedlich. In manchen Fällen brauchen Betroffene juristische Unterstützung.

Wie geht es in der Sache weiter?

Der Rechtsstreit um die Zinsanpassungsklauseln ist auch mit einem Urteil des OLG Dresden nicht völlig abgeschlossen. Hier profitieren nur die Kunden der beklagten Sparkassen. Außerdem sind die Urteile noch nicht rechtskräftig, denn das OLG Dresden hat Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Allerdings sind bundesweit weitere Klagen anhängig, etwa gegen die Saalesparkasse , die Sparkasse Nürnberg oder die Stadtsparkasse München .

Auch die Finanzaufsicht Bafin hat sich des Themas angenommen und arbeitet an einer Allgemeinverfügung . Tritt diese in Kraft, müssen Banken Kunden künftig informieren, dass ihr Vertrag eine unwirksame Zinsklausel enthält – und welche das konkret ist. Derzeit werden Stellungnahmen dazu ausgewertet. Geplant ist, bis zum Ende des zweiten Quartals 2021 über die Allgemeinverfügung zu entscheiden.

© dpa-infocom, dpa:210330-99-28591/5

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