Finanzielles Trostpflaster: Was für die Hinterbliebenenrente gilt

Berlin · Wenn der Ehepartner stirbt, befinden sich viele Menschen in einer emotionalen Ausnahmesituation. Damit es nicht auch zur finanziellen Ausnahmesituation wird, gibt es die Hinterbliebenenrente.

Ehepartner verstorben? Hinterbliebenenrente kann in dieser Situation finanziell entlasten.

Ehepartner verstorben? Hinterbliebenenrente kann in dieser Situation finanziell entlasten.

Foto: Christin Klose/dpa-tmn

Stirbt der Ehepartner, wird es für Hinterbliebene finanziell oft eng. Dann greift der Staat ein. 2021 wurden laut der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) 4,5 Millionen Witwenrenten und 722.000 Witwerrenten gezahlt.

„Grundsätzlich haben Hinterbliebene Anspruch darauf, wenn sie bis zum Tod des Ehepartners mindestens ein Jahr miteinander verheiratet waren“, sagt Samuel Beuttler-Bohn, Referent für Alterssicherung beim Sozialverband VdK. Gleiches gelte für eingetragene Lebenspartnerschaften.

„Stirbt der Ehepartner aber beispielsweise bei einem Unfall, besteht auch bei kürzerer Ehedauer ein Rentenanspruch.“ Außerdem muss der Ehepartner die Mindestversicherungszeit von fünf Jahren erfüllt haben und der Hinterbliebene darf nicht wieder geheiratet haben.

Auch Geschiedenen kann im Ausnahmefall eine Hinterbliebenenrente zustehen: „Einen Anspruch kann es für Scheidungen vor dem Juli 1977 geben“, sagt Katja Braubach von der DRV. Dafür muss man im letzten Jahr vor dem Tod des Ex-Partners zumindest einen Unterhaltsanspruch gehabt haben. Erfolgte die Scheidung nach dem Juli 1977, könne dagegen eine Erziehungsrente aus der eigenen Versicherung gezahlt werden, sofern der Hinterbliebene selbst die Mindestversicherungszeit von 60 Monaten erfüllt und ein Kind unter 18 Jahren erzieht.

Renten können sich stark unterscheiden

Finanziell kann sich die Witwenrente stark unterscheiden: „Je nach Alter können Hinterbliebene Anspruch auf eine kleine oder eine große Witwenrente haben“, erklärt Beuttler-Bohn. Eine kleine bekommen Hinterbliebene, die jünger als 47 Jahre alt sind, nicht erwerbsgemindert sind und kein Kind erziehen.

„Diese beträgt grundsätzlich 25 Prozent der Rente, die der Ehepartner zum Zeitpunkt des Todes bezogen hätte.“ Sie wird laut Beuttler-Bohn höchstens zwei Jahre nach dem Tod gezahlt. „Haben Witwen vor 2002 geheiratet und ist ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren, gilt das sogenannte 'alte Recht' und die Witwen bekommen die kleine Witwenrente unbegrenzt.“

Um die große Witwenrente beanspruchen zu können, müssen Hinterbliebene laut Beuttler-Bohn eines der folgenden Kriterien erfüllen: Sie müssen entweder aktuell mindestens 46 Jahre und 11 Monate alt sein, erwerbsgemindert sein oder ein minderjähriges Kind erziehen. „Oder sie kümmern sich um ein behindertes Kind“, sagt Beuttler-Bohn.

Dafür erhalten die Hinterbliebenen die große Witwenrente bis zum Lebensende. Sie beträgt 55 Prozent der Rente des Ehepartners. „Haben Witwen vor 2002 geheiratet und ist ein Ehepartner vor dem 2. Januar 1962 geboren, gilt das 'alte Recht' und es sind 60 Prozent“, erklärt Beuttler-Bohn.

Ansprüche entfallen bei erneuter Heirat

Heiraten Hinterbliebene wieder, entfällt die Witwen- oder Witwerrente. „Mit der neuen Heiratsurkunde kann formlos eine einmalige Abfindung in Höhe von 24 Monatsrenten beantragt werden“, erklärt Braubach. Endet die neue Ehe zum Beispiel durch Scheidung, kann die ursprünglich gezahlte Hinterbliebenenrente erneut beantragt werden.

Die Witwenrente beginnt Beuttler-Bohn zufolge mit dem Todestag, sofern der Verstorbene noch keine eigene Rente bezogen hatte. Wurde bereits eine Rente bezogen, kann die Deutsche Rentenversicherung dem noch lebenden Partner die Rente des verstorbenen Ehepartners in den ersten drei Monaten in voller Höhe auszahlen. Auf Antrag können die drei Renten sogar als Vorschuss, also in einer Summe, ausgezahlt werden. Dieser ist innerhalb eines Monats nach Eintritt des Todes beim Renten-Service der Deutschen Post zu stellen. Oft übernähmen das bereits die Beerdigungsinstitute, sagt Braubach.

„Für die Zeit ab dem vierten Monat nach dem Tod oder wenn der Verstorbene noch keine Rente bezogen hat, ist der Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen.“ Wer die Anträge lieber mit Unterstützung ausfüllen möchte, kann sich an die bundesweiten Auskunfts- und Beratungsstellen der DRV, deren ehrenamtliche Versichertenberater oder das kostenlose Servicetelefon unter 0800-10-00-48-00 wenden.

„Die Antragsfrist bei Witwenrenten dauert vom Todestag an zwölf Monate“, sagt Beuttler-Bohn. In diesem Zeitraum beantragte Hinterbliebenenrenten werden auch rückwirkend ausbezahlt. „Wird der Antrag später gestellt, beginnt die Rente erst ab dem Antragsmonat und kann nicht rückwirkend gezahlt werden.“

Eigenes Einkommen wird angerechnet

Witwen und Witwer dürfen weiterhin arbeiten gehen. Überschreitet das eigene Nettoeinkommen aber eine bestimmte Grenze, wird die Witwen- oder Witwerrente ab dem vierten Monat gekürzt. Aktuell darf das monatliche Nettoeinkommen bei Wohnsitz in den alten Bundesländern höchstens rund 951 Euro betragen, damit die Witwen- oder Witwerrente nicht gekürzt wird. In den neuen Bundesländern liegt der Freibetrag bei rund 938 Euro.

Außerdem erhöht sich der Freibetrag für jedes Kind, welches Anspruch auf eine Waisenrente hat, derzeit um etwa 202 Euro (alte Bundesländer) beziehungsweise 199 Euro (neue Bundesländer).

Der Anteil des Einkommens, der über der individuellen Freigrenze liegt, wird zu 40 Prozent auf die Witwen- oder Witwerrente angerechnet.

Konkret heißt das: Beträgt das Nettoeinkommen eines Witwers ohne Kinder, der in München lebt, 1200 Euro monatlich, ist die Freigrenze derzeit um rund 249 Euro überschritten. 40 Prozent davon, das sind 99,60 Euro, werden dann von der Witwerrente abgezogen. Betrug der Auszahlungsbetrag in den ersten drei Monaten zum Beispiel 1000 Euro, sind es ab Monat vier nur noch 900,40 Euro.

Ab dem 1. Juli steigt der Freibetrag einheitlich für alle Bundesländer auf 993 Euro. Je Kind erhöht sich der Freibetrag auf 211 Euro.

Hinterbliebenenrente allein reicht oft nicht zum Leben

„Aktuell müssen in der Tat vor allem viele junge Witwen und Witwer mit Kindern arbeiten gehen, da ihre Hinterbliebenenrente nicht zum Leben reicht“, sagt Beuttler-Bohn. Die kleine Witwenrente betrug laut Beuttler-Bohn Ende 2021 durchschnittlich 250 Euro brutto monatlich und die kleine Witwerrente 228 Euro brutto. Dagegen lag die große Witwenrente durchschnittlich bei 777 Euro brutto und die große Witwerrente bei 419 Euro brutto.

„Die Unterschiede resultieren aus den durchschnittlich geringeren eigenen Renten beziehungsweise Rentenanwartschaften der Frauen“, sagt Beuttler-Bohn. Zudem werde bei etwa 85 Prozent aller Witwer eigenes Einkommen angerechnet.

© dpa-infocom, dpa:230606-99-962490/2

(dpa)
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