Angst vor Inflation? Was Preissteigerungen für Anleger bedeuten

Wiesbaden · Strom, Benzin, Lebensmittel: Vieles ist zuletzt teurer geworden. Das heißt: Die Inflation ist zurück. Müssen sich Anleger Sorgen machen, wenn die Preise steigen?

 Die Preise steigen wieder. Müssen Anleger sich jetzt Sorgen machen?. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/dpa-tmn

Die Preise steigen wieder. Müssen Anleger sich jetzt Sorgen machen?. Foto: Daniel Reinhardt/dpa/dpa-tmn

Foto: Daniel Reinhardt

An der Tankstelle haben viele es schon gespürt: Die Preise steigen wieder. Tatsächlich haben vor allem höhere Energiepreise dafür gesorgt, dass die Inflationsrate steigt - laut Statistischem Bundesamt liegt sie auf Jahressicht nach vorläufigen Berechnungen bei 2,5 Prozent. Ökonomen zufolge könnte die Inflation im Laufe des Jahres sogar auf deutlich mehr als 3 Prozent steigen.

„Die Ursache für die steigende Inflationsrate sind vielfältig“, sagt Rainer Göritz von der Finanzberatung B&K Vermögen. „Neben Einmaleffekten wie etwa der neuen CO2-Abgabe oder dem Wegfall der reduzierten Mehrwertsteuer führt vor allem eine Belebung der Nachfrage bei gleichzeitig niedrigem Angebot zu einem Preisanstieg.“

Wie nachhaltig ist der Preisanstieg?

Stellt sich die Frage: Müssen Anleger sich jetzt Sorgen machen? Nicht unbedingt, findet Elliot Hentov, Head of Policy Research bei State Street Global Advisors: „Ich habe wenig Sorge, dass die Zahlen wirklich ein Problem sind.“ Die erhöhte Nachfrage und die hohen Preissteigerungen seien vermutlich nur temporär. „Ob sich der Trend wirklich langfristig fortsetzt, ist jetzt noch gar nicht absehbar.“

Markus Steinbeis, Geschäftsführer der Steinbeis&Häcker Vermögensverwaltung, erwartet hingegen nicht, dass der Trend bald wieder vorbei ist: „Steigende Energie- und Rohstoffpreise, steil nach oben kletternde Einkaufsmanager-Indizes, die schiere Größe der Fiskalpakete, die Corona-bedingten Hilfskredite, Engpässe in den globalen Lieferketten, der Rückbau der Globalisierung, steigende Frachtraten, Handelsbeschränkungen und Produktivitätsverluste bilden aus unserer Sicht eine Mixtur, die für einen strukturellen und länger anhaltenden Inflationstrend sprechen.“

Die Inflationsrate ist ein wichtiger Gradmesser für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Notenbank strebt für den Euroraum mit seinen 19 Ländern mittelfristig eine Jahresteuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. „Die Notenbanken haben noch genügend Möglichkeiten, um dauerhafte Inflation zu bekämpfen“, sagt Hentov.

Zinsen können Kaufkraftverlust nicht ausgleichen

Sparer spüren steigende Preise anhand ihres Kaufkraftverlustes. Bei einer Inflationsrate von 2,5 Prozent werden aus 1000 Euro nach einem Jahr real nur noch rund 975 Euro. Dieser Wertverlust lässt sich mit Zinsen aktuell nicht annähernd ausgleichen. Denn für Einlagen auf dem Tagesgeldkonto zum Beispiel gibt es nach Angaben der unabhängigen Finanzberatung FMH derzeit oft gerade mal 0,01 Prozent Zinsen.

Selbst mit Festgeldern, die üblicherweise mehr Zinsen abwerfen, kann man die Preissteigerung nicht ausgleichen. Hier zahlen die Anbieter laut FMH im Durchschnitt - je nach Laufzeit - zwischen 0,05 und 0,35 Prozent Zinsen. „Geld, das langfristig nicht benötigt wird, sollte von daher in Sachwerte wie zum Beispiel Aktien investiert werden“, rät Rainer Göritz. Auch Gold kann einen Schutz vor Inflation bieten.

Gold wirft keine Zinsen ab

Bei Aktien wie bei Gold müssen Anleger aber immer auch die Risiken bedenken, die grundsätzlich ja in jeder Anlage stecken. Beim Gold etwa lässt sich nur über den Preis überhaupt eine Rendite erzielen. Und ob der Goldpreis tatsächlich steigt, hängt nicht nur von der Inflation ab, sondern wird von vielen Faktoren bestimmt.

Wichtig bei physischem Gold: Je kleiner die Barren oder Münzen, desto teurer wird es. Die Stiftung Warentest stellte 2020 durchaus Unterschiede fest: Während für einen 1-Kilogramm-Barren im Schnitt wenig mehr als 1 Prozent Aufschlag zum aktuellen Börsenpreis zu zahlen ist, sind es bei einem 1-Gramm-Barren oft mehr als 20 Prozent.

Basisinvestment aufbauen

Und auch bei Aktien gilt: Das Ersparte jetzt blind zu investieren, ist keine gute Idee. „Eine gute Diversifizierung ist entscheidend für eine gute Stabilität im Depot“, sagt Frank Wieser, Geschäftsführer bei PMP Vermögensmanagement. Wer jetzt in den Aktienmarkt einsteigt, sollte deshalb am besten in einen breit streuenden ETF investieren. Diese Fonds bilden einen Börsenindex wie den MSCI World oder den FTSE All-World Index nach und sind ein gutes Basisinvestment.

Sorge vor hohen Bewertungen an den Aktienmärkten müssen Anleger nach Ansicht der Experten nicht haben: „Etwa 90 Prozent des Börsenerfolgs kommen durch die richtige Depotstruktur und nur 10 Prozent durch den Kaufzeitpunkt der Titel“, erklärt Frank Wieser. Oder anders gesagt: Die richtige Zusammensetzung bringt mehr Rendite als das Timing.

Grundsätzlich lassen sich die Risiken klug managen, indem Anleger in verschiedene Branchen, Sektoren und Regionen investieren. „Kalkulieren Sie wie ein vorsichtiger Kaufmann und kaufen Sie aus Überzeugung, nicht aus Angst“, rät Franz Kaim, Geschäftsführer der Kidron Vermögensverwaltung.

FMH

© dpa-infocom, dpa:210610-99-935003/3

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