Apfelbaum auf dem Balkon - Ausstellung zeigt Mini-Obstbäume

Zuschendorf · Der eigene Balkon als Paradies mit Apfelbäumen, Zitrusfrüchten oder Erdbeeren: Was märchenhaft klingt, wird immer mehr zum Trend. In der eigenen Wohnung werden nicht mehr nur Kräuter kultiviert.

 Im Schloss Zuschendorf bei Pirna gibt es eine Botanische Sammlung mit Zwergobstbäumen. Bis zum 21. September sind Teile der 200 Jahre alten Sammlung zu sehen. Foto: Matthias Hiekel

Im Schloss Zuschendorf bei Pirna gibt es eine Botanische Sammlung mit Zwergobstbäumen. Bis zum 21. September sind Teile der 200 Jahre alten Sammlung zu sehen. Foto: Matthias Hiekel

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Der Baum ist klein, die Frucht ist groß. Schon vor mehr als 200 Jahren waren Mini-Obstbäume in Keramiktöpfen ähnlich wie Bonsai in Mode. Vermutlich entstand auch die "Verzwergung" der Obstbäume in Asien. Auf jeden Fall wurde diese Technik aber nicht eins zu eins in die europäische Gartenkultur übernommen. Die Europäer waren pragmatischer und spezialisierten sich allein auf Kultursorten, die man auch konsumieren konnte. "Da musste etwas zum Essen dranhängen", sagt Matthias Riedel, Chef der Botanischen Sammlungen der Technischen Universität Dresden im Schloss Zuschendorf bei Pirna.

Die Preußenkönige liebten dieses besondere Tafelobst. In Sanssouci gab es gut 1000 kleine Obstbäume, um die Tische bei festlichen Gelagen zu bereichern. Die letzte große Sammlung in Deutschland habe die Familie Krupp im Garten der Villa Hügel in Essen gehabt, erzählt Riedel. Nach dem Zweiten Weltkrieg gerieten die Zwergbäume in Vergessenheit. Im hungernden Deutschland wurden erst einmal Bäume gebraucht, die viele Früchte trugen. Als die Botanischen Sammlungen in Dresden sich Mitte der 1980er-Jahre mit der Historie des Bonsai beschäftigten, stießen sie dabei auch auf die "Obstorangerien im Scherben."

So wurden damals die Obstbäume in tönernenden Töpfen ("im Scherben") genannt. Die Dresdner waren von dieser Möglichkeit fasziniert und begannen zunächst, das übliche Handelssortiment der DDR zu miniaturisieren. Die dabei verwendete Technik ist die gleiche wie bei Bonsai. Die Pflanzen werden oben und an den Wurzeln so beschnitten, dass sich der Baum schließlich in einem verkleinerten Maßstab voll ausbildet. "Man kann an einer Pflanze alles verkleinern, außer die Blüte und die Frucht", betont Riedel. Deshalb tragen auch die Zwergbäume ganz normale Früchte.

Inzwischen habe die Botanischen Sammlungen ihr Miniatur-Sortiment auf etwa 100 Obstsorten erweitert. "Mit nahezu 1500 Pflanzen haben wir vermutlich heute weltweit die größte Sammlung dieser besonders schmackhaften Gartenkunst", sagt Riedel. Als vor Jahren mal eine Zeitschrift einen solchen Baum mit Früchten im Großformat ablichtete, bekam Zuschendorf tonnenweise Post. "Alle wollten plötzlich einen solchen Obstbaum für zu Hause." Allerdings sei eine Massenproduktion aufgrund des hohen Anteils von Handarbeit gar nicht möglich: "Die Bäume könnte keiner bezahlen." Und auch der gemeinnützige Status der Sammlungen verbiete ein gewinnbringendes Geschäft.

Ohnehin hat sich der Gartenbau in Deutschland bereits auf Nachfrage eingestellt - zum Beispiel mit Säulenobst. Die schlank nach oben wachsenden Bäume oder Sträucher stehen heute auf vielen Balkonen. Selbst Erdbeeren lassen sich im Topf hochziehen. Riedel sieht einen Trend weg vom reinen "Zierbalkon" hin zu einem "Nutzbalkon" mit Obst, Gemüse, Kräutern und Zierpflanzen. "Da soll einem die Weintraube praktisch in den Mund wachsen", scherzt der Botaniker. In einer Ausstellung zeigt Zuschendorf ab Samstag die Historie der Zwergbäume und deren moderne Nachfahren. Im Mittelpunkt stehen dabei Apfelbäume.

Manfred Fischer, der frühere Leiter der Genbank Obst in Dresden-Pillnitz - ein Netzwerk zum Erhalt aller Obstsorten - beziffert die Zahl der Apfelsorten weltweit auf etwa 20 000. In Pillnitz wird das Material von gut 800 Sorten in der Genbank aufbewahrt. "In Gebrauch sind in Deutschland aber nur etwa 30 Sorten, und zirka 10 sind überall auf der Welt zu haben." Fischer nennt als Beispiel Golden Delicious und Granny Smith. Der grüne Granny Smith aus Neuseeland sei zwar nicht so schmackhaft wie andere, habe es aber in Deutschland zum Klassiker geschafft. "Alles eine Frage der Werbung", sagt Fischer.

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