Naturnahe Gärten Plädoyer für eine "wilde Ecke"
Bonn · Nabu-Experte Peter Meyer aus Swisttal wirbt für die Gestaltung von naturnahen Gärten zur Erhaltung heimischer Flora und Fauna.
Von Meise bis Sperling, von Igel bis Wiesel, von Wildbiene zu Grasfrosch und Regenwurm - wer als Hausbesitzer etwas zum Erhalt der Natur und der heimischen Tierwelt tun will, kann das selbst im kleinsten Garten umsetzen. Das sagt Peter Meyer, stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Bonn des Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der in der Kiesgrube bei Dünstekoven mit einem Team ein kreisweit bedeutsames Naturschutzprojekt betreut.
Und Meyer geht noch einen Schritt weiter: "Viele Vogelarten und Amphibien brauchen gerade zu Beginn der Brut und Laichzeit diese Unterstützung, weil immer mehr Lebensräume zerstört werden." Auch Bautrends seien dafür verantwortlich, so Meyer. Am Beispiel seines Gartens in Swisttal-Morenhoven, durch den er Interessierte wie Kindergartengruppen führt, zeigt Meyer, dass kleine Maßnahmen oft auf viel Gegenliebe in der Tierwelt stoßen können.
Seit einigen Jahren veröffentlicht der Nabu seine Rote Liste der Brutvögel und im vergangenen Jahr hatten sich die Naturschutzfachleute besonders besorgt gezeigt: Denn die im Sommer 2016 präsentierte fünfte gesamtdeutsche Fassung der Roten Liste wies drei Viertel der Offenlandarten als gefährdet aus. "Einschließlich Vorwarnliste sind es sogar 87 Prozent", verkündet die Nabu-Seite im Internet.
Weiter heißt es dort: "Während sich im Vergleich zur letzten Ausgabe Auf und Ab insgesamt fast die Waage halten, geht es bei den Offenlandarten vor allem abwärts." Nachdenklich dürfte Gartenfreunde stimmen, ,, dass sich auf der "Vorwarnliste" mittlerweile auch so bekannte heimische Arten wie Feld- und Haussperling finden.
Experte Meyer hat dafür viele Gründe aus gemacht: "Offenlandarten wird etwa durch Bebauung und die Landwirtschaft das Leben schwer gemacht." Auch spiele eine Rolle, dass durch die vielen Sanierungen in den vergangenen Jahren vor allem im Bereich der Hausdächer, die umfassend gedämmt werden, Brutmöglichkeiten fehlten.
Selbst einst in der Region so verbreitete Arten wie die Meise sieht Meyer auf dem Rückzug: "Der Bestand nimmt ab", hat er beobachtet. Zudem sorgt ihn: Auch Schmetterlinge, Bienen, Frösche, und Erdkröten wird seiner Aussage nach das Überleben immer schwerer gemacht, da Wildblumen und einheimische Gehölze ebenso verschwinden wie Tümpel und Teiche.
In der Situation könne nach Aussage des Nabu-Experten jeder Hausbesitzer mit Garten etwas tun, um der Flora und Fauna neue Rückzugsräume zu schaffen. Dabei ist das A und O für einen Garten, der auch als kleines Biotop fungieren soll, für Meyer vor allem eines: "Es muss ein wenig Platz für ein paar wilde Ecken da sein."
Beispielsweise sind Haufen, auf denen Laub und Reisig verrotten, ein idealer Unterschlupf für Igel und Kröten. Auch Holzlager und Komposthaufen können helfen, damit diese Tiere einen Unterschlupf finden. Besonders Kompost aus pflanzlichen Abfällen empfindet Peter Meyer ebenfalls als Bereicherung: "Zumal sich der Kompost viel besser zum Düngen eignet als mineralische Produkte." Diese töteten oft die Regenwürmer ab. Dabei seien Regenwürmer für ihn ohnehin die oft verkannten Garanten eines gedeihenden Gartens: "Sie sind für einen gesunden Boden ganz wichtig und stärken die Abwehrkräfte gegen Schädlinge."
Wer Vogelarten wie Amsel, Singdrossel, Buchfink, Zaunkönig und Heckenbraunelle etwas Gutes tun will, sollte vor allem heimische Gehölze anpflanzen. Dort können die Tiere Brutstätten und Nahrung in Form von Insekten und Beeren finden. Vogelexperte Meyer empfiehlt etwa bei Sträuchern den Wolligen Schneeball oder die Wildbirne. Seiner Erfahrung nach eignen sich auch Traubenkirsche, Hainbuche, Mehlbeere und Feldahorn, ferner Holzapfel, und Schwarzer Holunder.
Wovon er dringend abrät, sind Hecken etwa aus Kirschlorbeer, was stark in Mode gekommen sei: "Da geht kein Insekt und kein Vogel rein", betont er. Der Nabu warnt sogar auf seinen Internetseiten vor der "hochgiftigen, ökologischen Pest", die dieser Strauch für die Natur darstellt. Blätter und Samen setzten im Magen Blausäure frei "und sind kaum kompostierbar". In vielen Wäldern würden "sich eingeschleppte Neubürger auf Kosten der heimischen Natur ausbreiten".
Hinsichtlich der Gartengestaltung informiert das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn auch über invasive Pflanzen, auf die Gartenfreunde verzichten sollten (siehe Internethinweis). "Hintergrund ist, dass gebietsfremde invasive Pflanzenarten heimische Arten verdrängen können und damit auch Auswirkungen auf die Nahrungsgrundlagen von zum Beispiel Insekten haben können", sagt BfN-Sprecherin Ruth Schedlbauer.
Invasive sind laut BfN etwa Götterbaum und Staudenknöteriche. Alternativ empfiehlt das Amt heimische Arten wie Vogelbeere und gewöhnlichen Hopfen.
Auch Peter Meyer rät, auf heimisches Gehölze zu setzen, etwa auf Buchenhecken. Zudem auf eine artenreiche Blumenwiese mit natürlichen Frühblühern wie Krokussen. Meyer: "Die locken Vögel, aber auch Insekten wie Schmetterlinge und Wildbienen an." Gerade Schmetterlinge gehören laut Meyer ebenfalls zu den Arten, um die sich Biologen und Naturschützer zunehmend Sorgen machen.
Allein in Nordrhein-Westfalen sei in den vergangenen 15 Jahren die Biomasse der Fluginsekten um bis zu 80 Prozent zurückgegangen, warnte der Nabu bereits im vergangenen Jahr. Peter Meyer empfiehlt dabei Saatmischungen, die an den jeweiligen Standort angepasst sein sollten. "Statt Samentütchen aus dem Baumarkt sollte man aber heimisches Saatgut im Fachhandel beziehen."
Doch das Futterangebot allein macht einen Garten noch nicht vogelgerecht. "Vögel brauchen Versteck- und Nistmöglichkeiten", erklärt Peter Meyer. Aus seiner Sicht muss diese Unterstützung auch sein: "Früher haben viele heimische Vogelarten Unterschlupf in Höhlen von alten oder toten Bäumen gefunden, doch die wurden vielerorts oft gefällt." Auch in Gärten finde man so etwas immer weniger.
Daher rät er, den Vögeln künstliche Ruhestätten aus Naturmaterial anzubieten, beispielsweise hohle Mauersteine oder Nischen in der Hauswand. Zudem Wasser und Badestellen sowie Gelegenheiten zum Trinken. Ideal wäre aus Sicht des Morenhovener Naturschützers ein kleiner Tümpel, zumal davon auch Grasfrösche, Molche und Kröten profitieren könnten. Gleichwohl gibt es auch in Meyers Garten Platz für Zierrasen: "Schließlich habe ich Enkel, die hier spielen wollen."
Weitere Infos unter www.nabu.de und neobiota.bfn.de