Salto rückwärts im Design Viele Neuauflagen alter Möbel

Köln · Können sich die Möbelfirmen nichts Neues mehr ausdenken? Das muss man sich fragen angesichts vieler Neuauflagen jahrzehntealter Entwürfe. Doch es gibt einen Markt für gerade diese Klassiker: Viele suchen etwas aus einer Zeit, in der man noch nicht ständig am Handy hing.

Carl Hansen & Son bringt 2017 seinen erstmals 1950 produzierten Entwurf CH23 wieder auf den Markt. Der Esstischstuhl hat eine handgeflochtene Sitzfläche aus Papierkordel.

Foto:  Carl Hansen & Son

Möbelfirmen holen alte Produkte, deren Produktion vor vielen Jahren schon eingestellt wurde, wieder verstärkt ins Sortiment. Auf der Internationalen Möbelmesse IMM Cologne in Köln (bis 22. Januar) ist das erneut zu beobachten.

Das überrascht sogar Experten wie den Trendforscher Frank A. Reinhardt: "Wir Trendforscher hatten eigentlich schon gesagt, der Trend ist durch. Aber wir erleben dann doch, dass der Mann oder die Frau auf der Straße das ganz gut findet", erläuterte er in einem Vortrag auf der IMM. "Das ist eine richtige Welle, der Trend ist riesengroß."

Besonders gefragt ist das Mid-Century-Design mit Produkten aus der Zeit von etwa 1940 bis 1960. Aus dieser Zeit stammt der Entwurf des Schweizer Architekten Hans Bellmann: 1955 kreierte er den sogenannten ga stuhl, und das Unternehmen Horgenglarus stellte ihn bis 1970 her. Jetzt kehrt der Stuhl in den Handel zurück.

Ein weiteres Beispiel ist eine Stuhlserie von Hans J. Wegner und Carl Hansen & Son. Sie entwickelten 1949 bis 1950 vier Modelle - den Grundstein für die heutige umfangreiche Möbelkollektion des Unternehmens. Allerdings sind lange Zeit nur zwei der vier Entwürfe in Produktion gewesen: der Designklassiker CH24, auch als Wishbone Chair bekannt, und der Lounge Chair CH25. Jetzt erst werden auch CH22 und CH23 wieder aufgelegt.

Warum? "Weil es einen Markt gibt", sagt Knud Erik Hansen, CEO des Unternehmens. Gerade die aktuell 30- bis 40-Jährigen seien eine Zielgruppe, sie suchten sich gerne Möbel mit Zeitbezug aus. "Sie hängen die ganze Zeit an ihrem Smartphone und anderen Bildschirmen, sie sind vollständig vernetzt", erläuterte Hansen am Rande der IMM Cologne. "Da sehnt man sich auch nach einer guten alten Zeit ohne diese ganze Technik, eine Zeit, die diese Generation noch kennt. Nach etwas mehr Persönlichem." Die Möbel repräsentierten das Gefühl.

Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie verwundert die Nachfrage nach Möbeln mit "Nostalgiecharakter" ebenfalls nicht. In ihrer IMM-Trendanalyse schlussfolgerte sie: "Denn diese Entwürfe haben Zeitbezug, kommen aus einer (vermeintlich) besseren Zeit und sind verlässlich wie ein guter alter Freund."

Wie Carl Hansen & Son profitieren gerade Firmen von dieser Welle, die traditionell Möbelklassiker produzieren und vermarkten. Ercol ist ein weiteres Beispiel: Dessen Originals Kollektion von Lucian Ercolani setzt sich aus Stücken aus den 1950er und 60er Jahren zusammen. Sie werden immer noch vertrieben - und nun in Details erneuert. So gibt es den Stuhl Stacking neuerdings auch in einem Grünton.

Die Experten erwarten, dass sich der Trend zum Salto rückwärts in zwei Richtungen bewegt: Das Mid-Century-Design bleibt beliebt und nachgefragt. Aber als Folge des Verkaufserfolgs 2016 bedienen sich die Firmen nun auch an der Produktpalette weiterer Jahrzehnte - den 1920er und 30er, und darin vornehmlich dem Bauhausstil. "Sie sind wertstabil, nachhaltig und langlebig", sagt Trendanalystin Geismann über diese Möbelklassiker. Solche Stücke seien für manche "sogar Wertanlagen für Generationen, die weitervererbt werden können, so wie eine Luxusmarkenarmbanduhr".