Intelligente Strommessung Smart Meter sind künftig in vielen Haushalten Pflicht

Bonn · Ein neues Gesetz verlangt: Nach und nach müssen Verbraucher und Betriebe intelligente Strommesssysteme - sogenannte Smart Meter - in ihre Gebäude einbauen. Ziel ist, Energie einzusparen. Der Nutzen der Smart Meter ist allerdings umstritten. So haben beispielsweise Datenschützer große Bedenken.

Smart Meter, intelligente Messsysteme, sind bald in vielen Haushalten Pflicht. Verbraucherschützer sind von deren Nutzen allerdings nicht überzeugt.

Smart Meter, intelligente Messsysteme, sind bald in vielen Haushalten Pflicht. Verbraucherschützer sind von deren Nutzen allerdings nicht überzeugt.

Foto: galaxy67 - Fotolia

Smart Home, ein intelligentes Zuhause, soll helfen, Energie komfortabel per Handy-App zu regulieren und damit auch zu sparen. Die Technik gerät durch den Gesetzgeber jetzt verstärkt in den Fokus, erklärt Stephan Herpertz, Energieberater bei der Bonner Verbraucherzentrale.

2016 verabschiedete die große Koalition einen Gesetzentwurf, mit dem intelligente Messsysteme bis 2035 in mehreren Stufen in Betrieben und Haushalten installiert werden sollen. „Konkret geht es um den Einbau von digitalen Stromzählern und intelligenten Messsystemen, Smart Meter genannt“, sagt Stephan Herpertz. Was es damit auf sich hat, darüber informiert derzeit die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Aufklärung scheint erforderlich, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Nur acht Prozent der Verbraucher wissen genau, was ein Smart Meter ist.“ Dies habe eine repräsentative Umfrage ergeben.

Eine Heizung, deren Temperatur ein weit entfernter Hausbesitzer per Handy steuern kann. Ebenso den Stromverbrauch. Dank der Smart-Home-Technik ist das längst Alltag, der helfen soll, mit Energie so sparsam wie möglich umzugehen. Und Verbrauchswerte können an Versorger weitergeleitet werden. Genau darum geht es bei digitalen Stromzählern und sogenannten Smart Metern.

Dabei sind digitale Stromzähler für sich genommen noch nicht „intelligent“, so Herpertz: „Das Gerät erfasst den zeitlichen Verlauf des Stromverbrauchs im Haushalt und speichert diese als Tages-, Wochen-, Monats- und Jahreswerte über 24 Monate.“ Verbindet man den digitalen Stromzähler mit einer Kommunikationseinheit, einem Gateway, dann können Daten übertragen werden. Diese Kombination bezeichnet man auch als intelligentes, „smartes“ Messsystem.

Mit der Technik werden sich viele Verbraucher, für die Smart Meter kein Thema war, bald beschäftigen müssen. Verpflichtend ist laut vzbv der Einbau von Smart Metern „ab 2017 für Haushalte und Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch aus den letzten drei Jahren von mehr als 10 000 Kilowattstunden“. Der Einbau müsse dann erfolgen, wenn die Technik verfügbar sei. Auch Haushalte mit großen Photovoltaik-Anlagen stehen nach Aussage des vzbv ab 2017 in der Pflicht, ein intelligentes Messsystem zu verwenden. Wie Energieberater Stephan Herpertz ergänzt, sinke ab dem Jahr 2020 diese Grenze auf 6000 kWh. Theoretisch könne „dann jeder Haushalt von einer Umrüstung betroffen sein“.

Wer übernimmt die Installation? „In der Regel wird dies durch den zuständigen Messstellenbetreiber veranlasst“, sagt Herpertz. Drei Monate vor dem geplanten Einbau müssten Verbraucher informiert werden: „Widersprechen kann man der Installation nicht.“

Für die Kosten gelten „gesetzliche Obergrenzen, die vom Stromverbrauch oder der stromerzeugenden Anlage abhängen“. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3600 kWh kann zum Beispiel für einen Smart Meter mit bis zu 40 Euro zur Kasse gebeten werden, rechnet Herpertz vor. Aus seiner Sicht führt aber an der neuen Technik kein Weg vorbei: „Der Smart Meter wird nach und nach zum Standard für immer größere Verbrauchergruppen werden“, glaubt Herpertz: „Das birgt sowohl Chancen als auch Risiken.“

Schließlich könnten Smart Meter theoretisch Rückschlüsse auf Gewohnheiten der Bewohner zulassen. „Deshalb stellt das Gesetz hohe Anforderungen an die Datensicherheit“, betont er. Der ab 2017 vorgesehene Smart-Meter-Einbau verzögere sich ohnehin, da das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) noch keine drei Systeme als datensicher zugelassen hat. Das sei Voraussetzung für den Start.

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit NRW mahnt gleich eine Liste von Punkte an, die zu beachten seien. So das eine Verarbeitung der Smart Meter Daten nur erfolgen darf, „soweit es für die im Gesetz aufgezählten Zwecke erforderlich ist“, stellt Pressesprecher Daniel Strunk klar. Zudem müssten die Ableseintervalle so groß sein, „dass aus dem Verbrauch keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer gezogen werden können“. Weiterhin werde gefordert, „Smart-Meter-Daten möglichst nur anonymisiert, pseudonymisiert oder aggregiert“ zu übermitteln.

Auch gelte es, „angemessene Löschfristen für die Daten festzulegen“. Unterm Strich müsse der Letztverbraucher „mit Hilfe der Technik alle notwendigen Informationen, Optionen und Kontrollmöglichkeiten erhalten, die ihm die Kontrolle seines Energieverbrauchs und die Gestaltung seiner Privatsphäre ermöglichen, wobei der Stand der Technik nicht unterschritten werden darf“, so Strunk.

Der vzbv fordert, dass „Verbraucher über die Weitergabe der Daten, die mit den Geräten erhoben werden, selbst entscheiden können müssen“, so Pressesprecherin Nathalie Pfeiffer.

Und was haben die Verbraucher von Smart Metern? Durch die neue Messtechnik sollen sie mehr Informationen zum Stromverbrauch bekommen und von variablen Tarifen, also Zeiten günstiger Strompreise, profitieren können, sagt der vzbv. Ob diese Vorteile die Mehrkosten kompensieren, bleibt für Johanna Kardel, Energieexpertin beim vzbv, fraglich: „Der Smart-Meter-Einbau allein spart keine Energie. Erst eine Verhaltensänderung bewirkt eine Einsparung.“ Dafür müssten Informationen aber aufbereitet sein. Wichtig ist für Herpertz zum Beispiel, „dass die betroffenen Haushalte eine einfache Zugangsmöglichkeit zu Ihren Daten erhalten. Nur so besteht eine Chance, die erwarteten Einspareffekte auch wirklich zu erreichen.“

Unterm Strich setzt sich der vzbv dafür ein, „dass Verbraucher selber wählen können, ob sie ein Smart Meter bekommen oder nicht“, so Sprecherin Pfeiffer: „Das sieht der Gesetzgeber leider nicht vor.“ Nach dem Dafürhalten des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) e.V. führt die Smart-Meter-Pflicht in der derzeitigen Form sogar „zu unnötigen Kosten und noch nicht kalkulierbaren Risiken in der Datengeheimhaltung für die Verbraucher“, kritisiert Harald Uphoff, kommissarischer Geschäftsführer des BEE: „Die Politik hat Smart Meter per Gesetz verordnet, bevor die technischen Möglichkeiten ausreichend entwickelt, geprüft und für geeignet befunden wurden.“

Erschwerend komme hinzu, „dass Haushalte nun schrittweise zum Einbau von intelligenten Stromzählern verpflichtet werden, obwohl für einen Großteil dieser Haushalte kein oder ein zu geringer Nutzen erkennbar ist“.

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