Summende Häuserdächer: Imkern in der Stadt immer beliebter

Hamburg · Ob Konzerthallen, Kirchen oder Rathäuser - Auf immer mehr Dächern in Deutschland stehen Bienenstöcke. Das Imkern in der Stadt wird zum neuen Trend - und soll auf die Not des drittwichtigsten Nutztieres der Welt aufmerksam machen.

 Hobby-Imker Gunnar Weidt inspiziert auf dem Dach der Laeiszhalle in Hamburg eine Bienenwabe seiner dort aufgestellten Bienenstöcke. Foto: Markus Scholz

Hobby-Imker Gunnar Weidt inspiziert auf dem Dach der Laeiszhalle in Hamburg eine Bienenwabe seiner dort aufgestellten Bienenstöcke. Foto: Markus Scholz

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Wenn Gunnar Weidt die Hamburger Laeiszhalle betritt, trägt er immer eine Imkerpfeife mit sich. Der 49-jährige Bienenzüchter ist einer der wenigen Menschen, die das Dach des berühmten Konzerthauses betreten dürfen. Mitte Mai hat er hier oben Bienenstöcke aufgestellt. Vier Völker tummeln sich aktuell auf dem neobarocken Hausdach, mehr als 120 000 Tiere haben in den Kisten eine Unterkunft gefunden.

"Die Laeiszhalle ist ein wahres Bienenparadies", sagt Weidt, während er einen der Stöcke öffnet, um die Waben zu inspizieren. Nur 500 Meter von dem Musikgebäude entfernt liegt der Stadtpark Planten un Blomen, direkt vor dem Bau sind Linden gepflanzt. "Futter finden die Tiere hier genug", sagt der Imker. Und der Honig schmecke besonders gut, weil er auch exotische Pflanzen enthalte.

Sind Großstädte wirklich Bienenoasen, wie Weidt behauptet? Der Vorsitzende des Hamburger Imkerverbands, Thomas Rikkers, kann dieser These nur beipflichten. "Es gibt hier weniger Pestizide als auf dem Land, die Tiere finden viel länger Nahrung und es ist allgemein wärmer", sagt der Verbands-Chef. Über Abgasrückstände im Honig müsse man sich übrigens keine Sorgen machen: "Untersuchungen haben gezeigt, dass die Tiere die Schadstoffe abbauen können."

Raus aus dem Land, rein in die Stadt - so wie Weidt und Rikkers denken immer mehr Hobby-Imker. Während die Mitgliederzahl in ländlichen Gegenden zurückgeht, konnte der Hamburger Imkerverband allein in den letzten fünf Jahren mehr als 200 Jungimker dazugewinnen. Das Durchschnittsalter sank von 63 auf 50 Jahre, die frühere Altherrendomäne wurde durch viele Frauen bereichert. Ähnlich sieht die Tendenz in anderen Metropolen wie Berlin oder München aus. "Stadtimkern hat Kultstatus erlangt", freut sich Rikkers.

Gunnar Weidt ist mit dem ersten Stock fertig und öffnet die nächste Kiste. Spezielle Imkerkleidung trägt der Hamburger nicht, weil er äußerst selten gestochen wird. Auch sein Assistent Andreas Sterr verzichtet auf Handschuhe oder Schleier. "Die Bienen sind zurzeit viel zu sehr mit Honigsammeln und Wabenbau beschäftigt, als dass sie Menschen angreifen würden", sagt er.

Sterr hilft dabei, die einzelnen Kisten auf Parasiten zu untersuchen. Sein besonderes Augenmerk gilt der Varroamilbe - einem weit verbreiteten Schädling, der die Honigbienen besonders anfällig für Krankheiten macht und ganze Völker zerstören kann. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Varroamilbe mitverantwortlich ist für das weltweite Bienensterben, das besonders stark in den USA grassiert.

2006 wurde erstmals über den "Colony Collapse Disorder" berichtet, eine neue Art des Bienensterbens, bei dem die Völker auf mysteriöse Weise aus ihren Stöcken verschwinden. Seitdem machen sich immer mehr Organisationen für die Honigbiene stark. Auch die Gruppe "Deutschland summt", die vor kurzem mit dem Ableger "Hamburg summt" ein Bienenprojekt in der Hansestadt gestartet hat. Die Initiatoren Corinna Hölzer und Cornelis Hemmer kommen aus Berlin und wollen möglichst viele Bienenstöcke auf repräsentative Gebäudedächer stellen.

In anderen Großstädten ist ihnen das bereits gelungen, etwa auf dem Berliner Dom, auf der Neuen Pinakothek in München oder auf der KfW-Bank in Frankfurt am Main. In Hamburg sei man in Verhandlung mit Kirchen, Rathäusern und Theatern wie der Avantgarde-Halle Kampnagel. "Es ist wichtig, dass Städter ihr Herz für Bienen entdecken", sagt Hölzer, "denn nur dann können auch mehr Menschen den Ökolandbau unterstützen." Die meisten Verbraucher würden eben in der Stadt leben.

Um möglichst viele Menschen für das wichtige Thema zu sensibilisieren, ist "Hamburg summt" auf der Internationalen Gartenschau (26. April bis 13. Oktober) vertreten. Unweit der Konzertbühne Süd im Stadtteil Wilhelmsburg machen Plakate und Infotafeln auf die Bedeutung der Honigbiene aufmerksam - immerhin das drittwichtigste Nutztier nach Rind und Schwein.

Hier hat auch Thomas Krieger drei Bienenvölker aufgestellt. Der Vorsitzende des Imkerverbands Harburg-Wilhelmsburg ist begeistert vom Bienen-Projekt. "Wir müssen intensiver an die Öffentlichkeit gehen, damit noch mehr Menschen imkern", sagt er. Auch Krieger versorgt seine Tiere ohne Schutzkleidung, will dadurch die Angst vor Stichen nehmen. "Bienen sind sehr friedlebende Geschöpfe", sagt der 51-Jährige. Für ihn wäre wichtig, dass vor allem Schrebergärtner wieder mehr Stöcke aufstellten. Spezielle Kisten seien dafür im Handel erhältlich.

Im Rahmen von "Hamburg summt" möchte Krieger ein neues Projekt im Stadtteil Harburg starten. Ende Juni plant er, seine Bienen auf dem Harburger Rathausforum aufzustellen. Hilfe erhofft er sich von der anliegenden Kindertagesstätte. "Die Mädchen und Jungen können beispielsweise den Honig aus den Waben schleudern", sagt Krieger, der mit rund 40 Kilogramm Honig pro Volk rechnet.

Bei Gunnar Weidt steht die Honigernte nicht im Vordergrund. In diesem Jahr wird er keinen Ertrag von der Laeiszhalle haben - die jungen Völker sollen den gesammelten Honig behalten, um durch den Winter zu kommen. 2014 könnte es dann den ersten Hamburger Konzerthaus-Honig geben.

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