87 000 Laubbäume für den "Wald der Enkel"

Forstamt Bonn pflanzt im Kottenforst und in der Ville junge Bäume - Kosten liegen bei rund 220000 Mark - Im Revier Buschhoven kommen 17 500 Bäume hinzu

Rhein-Sieg-Kreis. Es sieht so aus, als wäre ein Riese mit einer Sense durch den Wald marschiert. Auf einer Waldparzelle in der Nähe des Bahnhofs Kottenforst in Meckenheim, auf der sich früher Fichten breit machten, stehen jetzt nur noch vereinzelt kleine, junge Bäume. Der Riese war ein Sturm, hieß Wibke und riss Anfang der 90-er Jahre zahlreiche Nadelbäume um. Erst nach Jahrzehnten würde dort wieder ein dichter Wald entstehen.

Das Forstamt Bonn will der Natur jetzt unter die Arme greifen. Etwa 87 000 junge Bäume werden in den kommenden Wochen und Monaten im Kottenforst und in der Ville gepflanzt, davon allein rund 17 500 Pflanzen im Revier Buschhoven. Langfristiges Ziel ist es dabei auch, die Fichtenbestände durch Mischwälder zu ersetzen.

Ein lautes Knattern hallt durch den Wald. Das Geräusch stammt von dem kleinen Motor eines Geräts, das der Waldarbeiter Andreas Holzem gerade gestartet hat. Mit rasend schnellen Umdrehungen frisst sich ein scharfes Messer durch Brombeersträuche und Grashalme und schneidet ein rundes Loch in das Unterholz. "Wir müssen den Boden freischneiden, sonst wickeln sich die Pflanzen um den Erdbohrer", erläutert Holzem. Mit dem Finger zeigt er auf die Maschine mit dem überdimensionalen Knethaken. Gartenbauunternehmer Bruno Dohmen bohrt damit ein rund 50 Zentimeter tiefes Loch in den Boden. Behutsam stellt Steffen Wilhelm, ein weiterer Gartenbauunternehmer, eine 1,20 Meter hohe Stieleiche in das Loch und tritt den Boden mit seinen Gummistiefeln fest.

Dieses Schauspiel wiederholt sich in den kommenden Wochen tausendfach. "Im Revier Buschhoven pflanzen wir in diesem Jahr fast 18 000 Bäume", berichtet Oberforstrat Wolfgang Wessel, Dezernent im Forstamt Bonn. "Wenn die Fläche bereits vorbereitet ist, pflanzen wir pro Mann 200 bis 250 Bäume am Tag", so Holzem, einer von 30 Waldarbeitern des Forstamts. Sie pflanzen unterschiedliche Baumarten. Im Forstrevier Buschhoven sind es 8 500 Rotbuchen, 1 200 Hainbuchen, 4 500 Stieleichen und 2 800 Winterlinden. "Wir pflanzen nur Laubbäume", betont Wessel. Schließlich geht es bei der Pflanzaktion nicht allein darum, die Löcher, die von Stürmen in den Wald gerissen wurden, wieder aufzufüllen. "Wir wollen Bestände, die nicht natürlich sind, in einen natürlichen Wald umbauen", beschreibt Wessel den Plan. Seit 20 Jahren werden im Kottenforst und in der Ville nur einheimische Baumarten gepflanzt, die der natürlichen Vegetation entsprechen.

Die Fehler der Vergangenheit will das Forstamt Bonn so auf lange Sicht ausmerzen. Denn vor Jahrzehnten wurden überwiegend Nadelbäume angepflanzt. Wälder, in denen fast nur Fichten stehen, zeugen noch heute davon. "Sie sind alle nicht aus freiem Willen entstanden", sagt Wessel. Im 19. Jahrhundert seien die Fichten gepflanzt worden, weil man - statt nach 150 Jahren wie bei Eichen - schon nach 80 bis 100 Jahren ausgewachsene Bäume schlagen konnte. Zudem lieferte ihr Holz gerade Bretter. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man Baumarten gepflanzt, die zu günstigen Preisen zur Verfügung gestanden hätten. Das waren neben Kiefern wiederum Fichten.

Wie anfällig die Monokulturen sind, haben die letzten Jahre gezeigt. Immer wieder kam es zu Schäden, weil Stürme Bäume entwurzelten oder sich die Borkenkäfer zu schnell ausbreiteten. Die Förster setzen deshalb auf den Mischwald. "Im Forstamt Bonn haben wir den Anteil an Nadelholz bereits auf unter 30 Prozent reduziert - und wollen ihn weiter absenken", so Wessel. Der Weg dahin ist weit und nicht ganz billig. Für die Anpflanzung der 87 000 Laubbäume gibt das Amt in diesem Jahr rund 220 000 Mark aus - Geld, das aus Steuermitteln stammt und das die Behörde durch Verkauf von Holz wieder hereinholen will.

Die Auswirkungen der Pflanzaktion werden erst kommende Generationen erleben. Bis aus Pflänzchen große Bäume geworden sind, vergehen - je nach Baumart - 100 bis 250 Jahre. "Die Pflanzung ist eine Investition in den Wald unserer Enkel und Urenkel", so Wessel. Aber nicht nur auf die Flora, auch auf die Fauna geben die Förster Acht. "Seit ein paar Wochen sind die Zugvögel hier, stecken ihre Reviere ab und bauen Nester", sagt Wessel. Zudem hätten die ersten Rehe und Wildschweine ihre Jungen zur Welt gebracht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort