Grundschul-Lehrerinnen aus der Region sprechen über Missstände „Wenn ich krank bin, kann niemand meine Klasse übernehmen“

Region · Lehrermangel trifft Grundschulen besonders, auch wegen der vergleichsweise geringe Bezahlung. Zwei Lehrerinnen aus dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Kreis Ahrweiler sprechen über Wochenendarbeit, Personalmangel und andere Missstände.

Der Leistungstand der Kinder ist an Grundschulen äußerst unterschiedlich. Das ist nur eines der Probleme, mit denen Lehrer dort zu kämpfen haben.

Der Leistungstand der Kinder ist an Grundschulen äußerst unterschiedlich. Das ist nur eines der Probleme, mit denen Lehrer dort zu kämpfen haben.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Sie arbeitet als Grundschullehrerin in einer Stadt am Rhein im Kreis Ahrweiler – und liebt ihren Job. „Dank meiner Arbeit sehe ich die Welt täglich mit Kinderaugen“, erzählt Anna Weber (Name von der Redaktion geändert). Doch die geringe Anerkennung erschwert ihr den Beruf. Häufig höre sie Kommentare wie „Ach schön, ein Halbtagsjob“. Doch als Grundschullehrer endet die Arbeitszeit nicht mit dem Unterrichtsende. „Ich treffe nach dem Unterricht oft noch viele Vorbereitungen, diese ziehen sich teilweise bis ins Wochenende“, sagt Weber.

Dass das Wochenende zum Arbeitstag wird, komme häufig vor. Der Grund: Grundschullehrer bekommen immer mehr Aufgaben. Neben der Lehrtätigkeit werden verschiedene Zusatzaufgaben an die Lehrer verteilt. Dazu kommen Fortbildungen wie beispielsweise in Informatik – aber dafür fehle oft die Kapazität.

Dass die Zeit für Fortbildungen an Grundschulen fehlt, kritisieren nicht nur Lehrer. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kämpft schon länger um bessere Arbeitsbedingungen an Grundschulen, auch um Zeit für Fortbildungen. Der GEW-Landesvorsitzende in Rheinland-Pfalz, Klaus-Peter Hammer, sieht den Bedarf an Weiterbildungen aufgrund der Unterschiedlichkeit der Kinder. „Die Kinder haben ein unterschiedliches Lerntempo an Grundschulen und benötigen eine individuelle Förderung“, so Hammer. Er fordert daher, dass Lehrer weniger Unterrichten müssen, damit Zeit für Weiterbildung bleibt. „Zusätzlich sollen die Lehrer auch Zeit haben, sich Konzepte für den Unterricht zu überlegen, um auf die verschiedenen Probleme einzugehen“, sagt Hammer. In Rheinland-Pfalz müssen Lehrer in Vollzeit 25 Stunden pro Woche Unterrichten, die Vorbereitungszeit und andere Verpflichtungen sind hierbei nicht inbegriffen.

Zu all dem komme noch ein enormer Lehrermangel oben drauf, wie Lehrerin Weber sagt, was sich auf krankheitsbedingte Ausfälle auswirkt. „Wenn ich krank bin, dann gibt es niemanden, der meine Klasse übernehmen kann“, so Weber. Für den Gewerkschafter Hammer ist der geringere Lohn als Grundschullehrer Grund für das fehlende Personal. Denn in Rheinland-Pfalz verdienten Grundschullehrer 300 Euro netto weniger im Monat als Lehrer an Gymnasien. „Die Landespolitik ändert nichts daran, weil sie die Grundschule für weniger relevant hält, dabei ist jede Schulform gleichwertig aber mit unterschiedlichen Herausforderungen“, sagt er.

Auf GA-Anfrage äußert sich die rheinland-pfälzische obere Landesbehörde Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die auch als Schulaufsicht fungiert, zu den GEW-Vorwürfen. Eine Sprecherin sagt, dass in diesem Schuljahr rund 1800 Lehrer neu eingestellt würden. Dennoch sei der bundesweite Lehrermangel zu spüren. Außerdem sollen Grundschullehrer ein höheres Einstiegsgehalt bekommen als in anderen Bundesländern. Die Sprecherin verweist bei der Vereinheitlichung der Gehälter von Lehrern auf den Unterschied der Studiendauer: Grundschullehramt hat eine Regelstudienzeit von acht Semestern, während andere Lehramtsstudiengänge eine Dauer von neun bis zehn Semester haben. Die GEW fordert deshalb auch eine Anpassung der Regelstudienzeit, da die Ausbildung zum Grundschullehrer ohne hin nicht in acht Semestern zu bewältigen sei.

Wachsende pädagogische Herausforderungen

Anders sieht es hierbei in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus: Grundschullehrer verdienen 500 Euro netto weniger im Monat laut der GEW in NRW. Allerdings hat die Landesregierung beschlossen, bis 2026 die Lohnungleichheit zwischen Lehrern beenden zu wollen. Dennoch herrscht auch in NRW ein Lehrermangel, wie die Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Ayla Çelik, anmerkt. „Der Lehrermangel an Grundschulen bedeutet eine immense Belastung der im System befindlichen Kräfte“, sagt sie.

Eine immense Belastung, die die Grundschullehrerin Marie Krüger (Name von der Redaktion geändert) aus dem linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis nur zu gut kennt. „Ich überlege mir schon drei Mal, ob ich mich krankmelde – es gibt keine Vertretungslehrer“, sagt sie. Auf GA-Anfrage schreibt das Schulministerium NRW, sich dem Lehrermangel bewusst zu sein. Deshalb sei ein umfangreiches Handlungskonzept entwickelt worden, dieses soll ab Mai umgesetzt werden.

Aber nicht nur kranke Lehrer stellen ein Problem dar, sondern auch kranke Kinder. „Wir haben kein Krankenzimmer, also sitzt das kranke Kind mit einem Eimer hinten im Klassenzimmer“, so Krüger. Sie erzählt von den gleichen Schwierigkeiten wie ihre Kollegin Weber aus dem Kreis Ahrweiler – und wachsenden pädagogischen Herausforderungen: „Die Kinder haben sich verändert, sie sind schneller gelangweilt und sind stärker daran gewöhnt, dass ihre Bedürfnisse schnell befriedigt werden.“ Als Ursache sieht sie die vermehrte beidseitige Berufstätigkeit der Eltern. „Die Eltern erlauben den Kindern viel mehr als früher, um eventuell keine Diskussionen nach einem langen Arbeitstag führen zu müssen“, sagt sie weiter.

Die beiden Grundschullehrerinnen sind sich einig: Eltern können auch etwas tun, um die Situation an Grundschulen zu verbessern. „Ich würde mir mehr Vertrauen in die Lehrkräfte wünschen“, meint Krüger. Weber ergänzt: „Wir sollten wieder mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten.“ Von der Politik wünschen sich beide mehr Beachtung. „Grundschulen stehen oft hintenan – es wird gespart, sowohl bei der Ausstattung als auch beim Gebäude und auch bei den Lehrkräften“, so Weber.

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