Professor aus Hildesheim kritisiert Aufbauarbeiten Experte: Baumaschinen zerstörten Ahr-Naturschutzgebiet

Altenahr · Baumaschinen haben eine der romantischsten Ahr-Schleifen planiert. Ein Biologieprofessor ist entsetzt. Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück und versprechen eine naturnahe Zukunft in dem Flutgebiet.

 Erst nach der tödlichen Sturzflut im Ahrtal ist dort nach Darstellung eines Experten „eines der artenreichsten“ Naturschutzgebiete in Deutschland mit Baumaschinen zerstört worden.

Erst nach der tödlichen Sturzflut im Ahrtal ist dort nach Darstellung eines Experten „eines der artenreichsten“ Naturschutzgebiete in Deutschland mit Baumaschinen zerstört worden.

Foto: dpa/Boris Roessler

Erst nach der tödlichen Sturzflut im Ahrtal ist dort nach Darstellung eines Experten „eines der artenreichsten“ Naturschutzgebiete in Deutschland mit Baumaschinen zerstört worden. Hohe Schieferfelsen, aufgegebene Weinbergterrassen und enge Flusskurve: Die Ahrtalschleife bei Altenahr gilt als besonders urwüchsig und romantisch. Doch gegenwärtig ist sie von weitflächig planiertem Erdreich, Baggerspuren und einem kanalartig wirkenden Flussbett geprägt - ein halbes Jahr nach dem Juli-Hochwasser mit 134 Toten und Tausenden zerstörten Häusern im Ahrtal.

Wolfgang Büchs, Hildesheimer Biologieprofessor und Ahrtal-Kenner seit vier Jahrzehnten, ist nach eigenen Worten „geschockt“. Bei veröffentlichten Untersuchungen zusammen mit vielen Kollegen „wurden in diesem Gebiet circa 4300 Tierarten und knapp 1200 Pflanzenarten nachgewiesen, darunter 17 Arten, die neu für die Wissenschaft waren - und das mitten in Deutschland“, sagt Büchs. 480 hätten schon vor Jahren auf der Roten Liste bedrohter Arten gestanden.

Büchs spricht von „sinnlosem Herumbaggern und Planieren“, gefällten gesunden Bäumen und einer Zuschüttung von Orchideenstandorten mitten in einem Naturschutzgebiet. Es fehle die naturschutzfachliche Begleitung bei diesen Arbeiten. Die Verantwortlichen der zuständigen Behörden seien hier „offenbar hoffnungslos überfordert“.

Die rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Katrin Eder (Grüne) betont: „Wir nehmen die Hinweise sehr ernst und gehen ihnen nach.“ Schon im September 2021 habe ihr Haus angeordnet, dass nur mit Zustimmung der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord am Gewässer gearbeitet werden dürfe. „Unser Ziel bleibt es, der Ahr mehr Raum zu geben und in möglichst großen Bereichen eine naturnahe Entwicklung zu ermöglichen“, versichert Eder.

Die SGD Nord in Koblenz weist die Vorwürfe zurück. Die Flut habe im Naturschutzgebiet bei Altenahr bis auf zwei kleine Baumgruppen sämtliche Bäume entwurzelt und die gesamte Talsohle mit Flussschotter in einer Höhe von teils über 1,50 Meter aufgefüllt. Dadurch „schien die Ahr wie in einem Trog zu verlaufen. Eine Vielzahl vorher prägender Biotopstrukturen wurden durch die mächtigen Anlandungen überschüttet und somit beseitigt.“ Zudem habe das Hochwasser auch großvolumigem Unrat wie Autowracks hinterlassen: „Der Einsatz von schweren Maschinen zur Beseitigung des Mülls war unvermeidbar.“

Dann sollte laut SGD Nord der aufgefüllte Flussschotter bis auf maximal 30 Zentimeter über dem normalen Ahr-Wasserstand entfernt werden: So könne der Fluss bei kleinerem Hochwasser leichter über die Ufer treten - ein natürlicher Hochwasserschutz für Gebiete ahrabwärts und zugleich gut für die Entwicklung neuer naturnaher Strukturen. „Damit all diese Maßnahmen aber umgesetzt werden können, bedarf es einer Befahrung der Ahr-Aue mit schweren Maschinen.“

Beim Abtragen des Flussschotters sind nach Angaben der Behörde keine Bäume gefällt worden: „Dies hat das Hochwasser erledigt beziehungsweise anlaufende unkoordinierte Planierungsarbeiten unmittelbar nach der Flut.“ Weiter erklärt die SGD Nord, der Ahr-Verlauf sei hier „nicht massiv begradigt“ worden. Eine eigene Straße für die Baufahrzeuge werde später weitgehend entfernt.

(dpa)
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