Gruselige Aufführung Edgar Allan Poes „Rabenschwarze Nachtgeschichten“ auf der Burgruine Saffenburg

Mayschoß · Schauspieler Markus Veith schafft schaurig-schöne Momente auf dem Plateau der Saffenburg in Mayschoß. Unsere Autorin bekommt gehörig Gänsehaut.

 Schauspieler Markus Veith schaffte schaurige Momente auf dem Plateau der Saffenburg in Mayschoß mit Geschcihten von Edgar Allan Poe.

Schauspieler Markus Veith schaffte schaurige Momente auf dem Plateau der Saffenburg in Mayschoß mit Geschcihten von Edgar Allan Poe.

Foto: ahr-foto

Die Wolkendecke hat sich zugezogen, Windböen treiben über das Ruinen-Plateau der Mayschosser Saffenburg. Dort, wo früher allenfalls ein paar Ziegen kletterten, steht jetzt ein hoher Baum. Von hier aus sind nur die bewaldeten Kuppen der Ahrberge zu sehen. Schauspieler Markus Veith führt eine Gruppe von Literatur- und Theaterfreunden über den Ziegenweg, in so etwas wie ein Niemandsland. „Rabenschwarze Nachtgeschichten“ stehen auf dem Programm, und Veith wird zum Raben Nimmermehr aus dem Poem von Edgar Allan Poe.

Die Braut ist verstorben. „Wie kalt lag in meiner Hand die ihre“, reflektiert der Verlassene. Das Schicksal ihres Körpers in der „würmenden Erde, bis zu Staub sie werde“, lässt ihm keine Ruhe. In der Nähe des Baumes stehen einige Insektenhotels. Veith nimmt den schwarzen Umhang vom Baum, glaubt, Schritte hinter sich zu hören, es könnte die Geliebte sein, aber nein, ein Rabe umschwirrt ihn. Sein Name „Nimmermehr“, andere Worte hat der wohl nicht gelernt.

Weg von Edgar Allan Poe hin zu Annette von Droste-Hülshoff

Beliebt war der Rabe, der die Geister Verstorbener sehen kann, nie in der Geschichte der Menschheit. Und was die Sintflut betrifft: Warum musste ausgerechnet eine Taube den Olivenzweig zur Arche bringen, wo doch auch der Rabe da war - bei so vielen Leichen im Wasser, sinniert der schwarze Vogel. Es ist aber nur der Auftakt zum Abend mit schaurig-schönen Rezitationen und durchaus makabren Geschichten und Vergleichen. Schnell geschafft ist die Kehrtwende, weg von Edgar Allan Poe hin zu Annette von Droste-Hülshoffs „Knabe im Moor“: „O schaurig ist‘s, über‘s Moor zu gehen, wenn es wimmelt vom Heiderauche, sich wie Phantome die Dünste drehen, und die Ranke häkelt im Strauche.“ Der Knabe rennt „durch die Riesenhalme wie Speere“, in denen es rieselt und knistert, entkommt am Ende bekanntlich.

„Ich straffe meine Gänsehaut“, sagt der Schauspieler mit knarzender Stimme, aber immer wieder ist der Rabe da, wie bei der Passage über einstige Burgherren, die grausam Reisende massakriert hatten. Mittlerweile hat die Gruppe den Aussichtspunkt „Schönste Weinsicht“ mit Blick auf den Weinort Mayschoß erreicht. Da unten wohnt ein Tüftler mit einer Maschine, die für Menschen nicht Hörbares hörbar macht. „Wenn er aber schraubt, bleibt manche Schraube locker.“ Der Tüftler hat sein Gerät in den Garten gestellt, hört die Jammerschreie der Rosen, die seine Nachbarin gerade schneidet. „Frau Schmitt meuchelt ihre zuvor gepflegten Rosen und verkauft sie im Leichenschauhaus, ihrem Blumenladen.“ Er hört das Gemetzel der Mähmaschine auf dem Kornfeld, den Horrorgesang der Pflanzen im Beet, der Weintrauben in der Presse, der Zwiebeln beim Abziehen der Haut. Das hält der Erfinder nicht aus, er bringt die Gärtner beim Baumschnitt grausam um, streicht Jod auf die Wunden der Bäume, endet im Irrenhaus.

Vampire, die keiner will, sind ein weiteres Thema, sie werden mit Knoblauch und bäuchlings unter Steinen begraben, sollen das eigene Blut trinken, nicht das Anderer. Da läuten die Glocken von Sankt Nikolaus und Rochus im Tal. Weiter oben, bei den beiden Linden, die Mayschoß für die Kinder des Prinzen Pierre von Arenberg, Eigentümer der Ruine, gepflanzt hat, geht es um einen Lebensmüden, der am Ende von einem schielenden Jäger erschossen wird. Fazit: „Langweilig ist die Ewigkeit – vor allem gegen Ende.“ Also: besser am Leben bleiben.

Gruselig und nachdenklich

Die Gebeine der Totengeister sind beim Weg hinab noch einmal Thema. Sie stehen in einem Wettbewerb, welches von den Würmern am besten abgenagt worden sei. Der knarzende Rabe genießt den Friedhof, der vielen Mäuse wegen. Nach Zitaten von und Anklängen an die Schriftsteller und Dichter Wilhelm Busch und Joachim Ringelnatz kommt Theodor Fontane an die Reihe: Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand“, Gemeingut im Deutschunterricht. Er ließ sich eine Birne mit ins Grab legen, und so spross aus der Gruft neues Leben. Veith verteilt Birnen. Ein versöhnliches Symbol am Ende des Abends mit dem Raben und dem an Knochen nagenden Gewürm. Etwas Grusel bleibt. Aber auch Nachdenkliches gibt der Schauspieler seinem Publikum mit auf den Heimweg.

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