Spendenaktion des General-Anzeigers GA-Weihnachtslicht hilft einer flutbetroffenen Familie in Kreuzberg

Altenahr · Banges Warten und Hoffen auf Geld bestimmen das Leben einer Familie aus Kreuzberg nach der Flut. Dabei schnellen die Kosten für die Sanierung des Hauses und die Organisation des Alltags in die Höhe.

Beate Wolloscheck in ihrem zerstörten Haus in Kreuzberg. Die Familie versucht viel in Eigenleistung wieder aufzubauen – Handwerker können sie sich aktuell nicht leisten.

Beate Wolloscheck in ihrem zerstörten Haus in Kreuzberg. Die Familie versucht viel in Eigenleistung wieder aufzubauen – Handwerker können sie sich aktuell nicht leisten.

Foto: Martin Gausmann

In der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021 kam die Flut ins Haus von Beate Wolloscheck und Gerd Uelpenich in Kreuzberg. Gegen 21.30 Uhr fing es an, innerhalb einer halben Stunde hatte die schmutzige Brühe Keller und Erdgeschoss eingenommen und war bis zur Zimmerdecke im Obergeschoss gestiegen. Zusammen mit den Kindern, beide Oberstufenschüler, flüchtete das Paar in die zweite Etage, von da aus gelang einem der Söhne ein Video das zeigte, wie die vier Autos der Familie davonschwammen. „Wir hatten noch nie Wasser im Haus, nicht einmal im Keller“, berichtet das Paar. Vor dem Kauf des Domizils vor 25 Jahren hatte sich Gerd Uelpenich anhand der Markierungen an der nahen Bahnunterführung kundig gemacht. Ergebnis: Auch vom „Jahrhunderthochwasser“ 1910 wäre das Haus nicht betroffen gewesen.

De Flut riss Bahndamm und einen Zug weg

Jetzt also doch und zwar heftig. Das Haus liegt an der Bahnhofstraße in Kreuzberg und wäre rein theoretisch auch durch den Bahndamm geschützt gewesen. Diesmal nicht. Auch der Bahndamm ging mitsamt einem am Bahnhof stehenden Zug in den Fluten unter. Der Zug leuchtet noch immer rot in der Sonne, die Schienen sind weg. „In der Nacht haben wir Menschen um Hilfe schreien hören, die auf ihren Dächern standen, das tut weh“, berichten die beiden. So schnell wie es gekommen war, sank das Wasser. „Wir haben gehört, wie die Schränke umgekippt und die Hängeschränke von der Wand gefallen sind. Alles war nur noch Schrott“, erinnert sich das Paar an die Nacht.

Durch eine 30 Zentimeter hohe, stinkende Schlammschicht arbeitete sich die Familie am nächsten Morgen ins Freie. Mit dabei die fünf Katzen. Zwei konnten die Nacht mit im Haus verbringen, die drei anderen hatten sich auf die hohen Bäume im Garten geflüchtet. „In der Dunkelheit sahen wir ihre Augen leuchten, sie waren auf unser Haus gerichtet“, erinnert sich Wolloscheck. Alle Bäume mussten gefällt werden, der Hang hinter dem Haus war völlig durchweicht, das Haus so noch mehr gefährdet. Die gesamte Winterkleidung war im Keller untergebracht, auch Gummistiefel und Arbeitskleidung, alles dahin. „Im Garten lagen Sachen, die vorher noch keiner gesehen hatte, im Nachbargarten hing eines unserer Autos. Die Situation war völlig surreal, wir haben nur reagiert, nicht nachgedacht“, berichten beide.

Ein Lichtblick hätte das elterliche Haus mit Heizung, Wasser und Internet sein können. Nur: Das steht in der Nähe von Kloster Schweinheim, genau unterhalb der Steinbachtalsperre. Der Staudamm drohte zu brechen. Obdach fand die Familie mitsamt der fünf Katzen zunächst in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler (BABZ). Dank des überaus mutigen Baggerfahrers, dem es gelang, den Abfluss der Talsperre mit seinem Gerät frei zu räumen, hielt der Damm. Das Elternhaus war gerettet, die Familie hatte wieder ein eigenes Obdach.

Allein 800 Euro Spritkosten fallen monatlich für die Familie an

Klingt gut, brachte aber weitere Komplikationen mit sich. Die beiden Söhne besuchen das Peter-Joerres-Gymnasium in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Bei all dem Schlamassel wollten die Eltern ihnen einen Schulwechsel in ein anderes Bundesland für ein halbes oder ganzes Jahr nicht zumuten. So werden die Jugendlichen Tag für Tag nach Bad Neuenahr gebracht und wieder abgeholt, bei unterschiedlichen Schlusszeiten sind drei Fahrten hin und zurück erforderlich. Das macht nach Feststellung der Eltern allein 800 Euro für Sprit pro Monat aus. Dazu kommen Autofahrten zum Haus in Kreuzberg. Damit das überhaupt möglich ist, hat Beate Wolloscheck ihre Arbeitszeit reduziert.

Sie wollen schnell zurück, das Haus ist entkernt, viel könnten sie selbst machen, aber das gesamte Werkzeug ist der Flut zum Opfer gefallen. Viel Geld verschlingen die ständig notwendigen Reparaturen an den Gebrauchtwagen. Ohne Werkzeug kann Uelpenich sie nicht selbst in Schuss halten. Ohne Autos wäre die gesamte Familie aufgeschmissen.

An allen Ecken und Enden fehlt Geld. „Von der Wiederaufbauhilfe haben wir noch nichts gesehen, obgleich wir am 3. November einen Antrag gestellt haben“, wundern sich die beiden. Vor drei Wochen erhielten sie eine Mail: Sie sollten einen aktuellen Grundbuchauszug liefern – wieder Kosten. Die Sanierung soll schnell erfolgen, damit wieder Ruhe in das Familienleben einkehrt und sie im Sommer wieder zurück können. Aber sie hängen in der Luft, wissen nicht, wann Zahlungen aus der Wiederaufbauhilfe kommen und wie viel es sein wird.

Darum hat Gerd Uelpenich Geld aus seiner Lebensversicherung gezogen, das eigentlich fürs Studium der Söhne vorgesehen war. Für 40.000 Euro hat er eine neue Pellet-Heizanlage installiert und neue Heizkörper angeschafft, um das Haus trocknen zu können. Glücklicherweise war der Stahltank voll Öl im Keller dicht geblieben, 4000 Liter Heizöl wurden abgepumpt und weggefahren, wo es geblieben ist, wissen beide nicht. Problem waren in der ersten Zeit nach der Katastrophe Diebstähle aus den betroffenen Häusern. Da waren notwendiges Material, Handwerkszeug und Geräte am nächsten Morgen einfach weg. Die Kosten häuften sich, die Rechnungen kamen, Geld fehlte und der Energieversorger Westnetz drohte, den Strom abzustellen.

Angesichts der Diebstähle musste die Haustür verrammelt werden, glücklicherweise waren die Fenster heil geblieben, so dass ordentlich geheizt werden konnte, um die im Jahr 1927 aus Bimsstein errichteten Wände zu trocknen. Die Flut überstanden hatte der Kachelofen im Erdgeschoss, und den Freiwilligen, die immer da waren, wenn Hilfe besonders nötig war, gelang es, Pellets für die Zentralheizung und Holzbriketts für den Kachelofen aufzutreiben. Voll des Lobes sind die Flutgeschädigten über das „Team Rhön“, das so vieles organisiert hat. „´Solange ihr uns braucht, kommen wir`, haben sie gesagt, sonst wären wir aufgeschmissen gewesen“, ist das Paar voll Dankbarkeit.

Gerd Uelpenich ist Fachberater Gefahrstoffe im Kreis Ahrweiler und arbeitet mit der Feuerwehr zusammen. Beate Wolloscheck ist Bürokauffrau. Beide konnten nach der Katastrophe im Homeoffice arbeiten und sich so Zeit für die Sanierung des Hauses einteilen. Jetzt helfen Feuerwehr-Kollegen und Freunde bei der Sanierung. „Handwerker sind nicht zu finden, und wir könnten sie auch gar nicht bezahlen“, sagen die Kreuzberger. Fluthelferin Nadia brachte die Geschichte der Familie zum Weihnachtslicht des General-Anzeigers, und so kam von da glücklicherweise eine Finanzspritze, um einen Engpass zu überwinden. Die Familie ist sehr dankbar.

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