Tourismusbranche im Ahrtal nach der Flutkatastrophe Der Wille zum Wiederaufbau ist groß

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Der Verein Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler hat ein aktuelles Lagebild entworfen. Danach sind rund 60 Prozent der Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe sowie Privatunterkünfte im Ahrtal von der Flutkatastrophe betroffen. Ans Aufgeben denken die meisten nicht.

Die Schäden, wie hier bei der Winzergenossenschaft Mayschoß um Matthias Baltes, sind immens. Doch die Mehrzahl der Weinbauern gibt nicht auf. Das Foto entstand Mitte August.

Foto: Martin Gausmann

Eines der bedeutendsten wirtschaftlichen Standbeine des Ahrtals wurde durch die Flutkatastrophe bis ins Mark getroffen: der Tourismus. Dort hat man verheerende Verluste in „nahezu unvorstellbaren Ausmaß zu beklagen“, so der Verein Ahrtal-Tourismus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der Verein hat jetzt ein erstes Lagebild zusammengestellt. Dazu haben die Mitarbeiter mehr als 450 Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe sowie Privatunterkünfte im Ahrtal kontaktiert – darunter etwa 300 eigene Mitglieder.

Erstes Fazit: Insgesamt rund 60 Prozent der Betriebe sind von der Flutkatastrophe betroffen. Das entspricht 280 Anbietern. „Auch wenn wir hier seit Wochen mittendrin sind im Katastrophengebiet und uns der Ernst der Lage schnell bewusst war, machen die nackten Zahlen doch erneut sprachlos“, fasst der Vorsitzende der Ahrtal-Tourismus, Hotelier Christian Lindner, seine Eindrücke zusammen.

Die Lage stellt sich jedoch in den einzelnen Gewerbesparten ganz unterschiedlich dar. Während von mehr als 220 Ferienwohnungen rund 50 Prozent von der Flut betroffen sind, hat es die Hotelbetriebe und Pensionen zu mehr als 70 Prozent getroffen, die Gastronomiebetriebe sogar zu 80 Prozent. Elf von 13 Campinglätzen sind darüber hinaus zerstört. „Unfassbare Zahlen, hinter denen Eigentümer, ganze Familien und Hunderte Mitarbeiter stehen, die zu einem Großteil unmittelbar in ihrer Existenz bedroht sind“, betont Christian Lindner.

Doch es gibt in vielerlei Hinsicht auch große Hoffnung: Der Wille zum Wiederaufbau sei bei rund 80 Prozent der betroffenen Betriebe und Privatquartiere vorhanden. Auch im Bereich der Winzerschaft, die ein so wichtiger Faktor für den Tourismus im Ahrtal ist, wollen mehr als 90 Prozent der betroffenen Weingüter, Genossenschaften und Selbstvermarkter weitermachen. „Dies ist ein klares Ja der Beteiligten dafür, dass Tourismus an der Ahr Zukunft hat. Das Ahrtal ist noch da und wir bauen wieder auf“, so Lindner.

Das Team des Ahrtal-Tourismus sei hoch motiviert, den Standort wieder nach vorne zu bringen, auch wenn hier ebenfalls große Schäden vorliegen. Die beiden Tourist-Informationen in Bad Neuenahr und Ahrweiler sind genauso zerstört wie die Büroräumlichkeiten im Blankartshof sowie im ehemaligen Kurpark-Café mitsamt dem kompletten Inventar.

Die Mitarbeiter sind derzeit auf unterschiedliche Ausweichräume aufgeteilt oder arbeiten im Homeoffice. Laut Lindner gilt es jetzt in einem ersten Schritt, Strategien für die Kommunikation über die Website und die sozialen Medien zu entwickeln. Klar sei anhand der Anfragen, die bereits schon wieder eingehen, dass Gäste das Ahrtal wieder besuchen möchten – auch, um die Gast­ronomen und Gastgeber vor Ort zu unterstützen. Und darauf müsse man sich vorbereiten.

Ohne staatliche Hilfe geht es nicht

Vom Land Rheinland-Pfalz wünscht sich der Ahrtal-Tourismus nun vor allem, dass die zugesagten Gelder für die betroffenen Betriebe und Privatunterkünfte schnell und tatsächlich unbürokratisch fließen. „Um wieder wirtschaftsfähig zu werden, müssen die Betriebe jetzt so schnell wie möglich mit den nötigen Arbeiten starten können“, betont Christian Lindner: „Denn hiervon hängt wiederum die Erhaltung der Arbeitsplätze ab.“ In einem nächsten Schritt gelte es, gemeinsam mit allen im Tal Beteiligten die gesamte touristische Infrastruktur zu analysieren und eventuell in Teilbereichen zu überdenken. „Aus Mainz benötigen wir neben den zugesagten Geldmitteln insbesondere vereinfachte Planungsverfahren für die erarbeiteten Ergebnisse“, fügt Lindner hinzu.

Ohne eine gut durchdachte Infrastruktur wie Rad- und Wanderwege, Parkplätze, öffentliche Verkehrsmittel, Eventflächen und Kultureinrichtungen sei Tourismus langfristig kaum denkbar. Lange Verfahren, Bedenkenträgertum, Entscheidungen über die Köpfe der Beteiligten hinweg müssten jetzt zugunsten einer echten Zusammenarbeit, konkreten Ansprechpartnern, unbürokratischen Wegen und einem Umdenken von üblichen Verwaltungsstrukturen weichen. „Nur dann hat das Ahrtal die Chance, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken“, erklärt Lindner.

„Für die Umsetzung braucht das Ahrtal im letzten Schritt staatliche Unterstützung bei der Beschaffung der Unmengen an benötigtem Baumaterial und auch bei der Vermittlung von Fachunternehmen. Der Staat trägt Mitverantwortung für den gesamten Wiederaufbau von A bis Z, nicht nur für die entsprechenden Geldmittel.“