Zahl der Patienten-Anfragen steigt Bad Neuenahr-Ahrweiler eröffnet Palliativ-Stützpunkt

Kreis Ahrweiler · Im April hat in Bad Neuenahr-Ahrweiler ein neuer Palliativ-Stützpunkt seine Arbeit aufgenommen. Nun wurde die Einrichtung offiziell eröffnet. Nach Angaben der Leitung nimmt die Zahl der Patienten-Anfragen stetig zu.

 Im neuen Palliativ-Stützpunkt in Bad Neuenahr-Ahrweiler ermöglicht das Team nun „Menschen in fragilen Lebenssituationen“, bis zuletzt in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, sagte Maria Heine, Geschäftsführerin der Marienhaus GmbH.

Im neuen Palliativ-Stützpunkt in Bad Neuenahr-Ahrweiler ermöglicht das Team nun „Menschen in fragilen Lebenssituationen“, bis zuletzt in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, sagte Maria Heine, Geschäftsführerin der Marienhaus GmbH.

Foto: Martin Gausmann

Der Bundestag hat diese Woche wieder über das Thema Sterbehilfe debattiert. Es geht um ein Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe für Menschen, die nicht mehr leben möchten. Parallel setzen viele Engagierte auch im Kreis Ahrweiler sich dafür ein, das Leben bis zuletzt insbesondere in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen respektive zu erleichtern. Das ist Ansinnen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV), die mit einem multiprofessionellen Team rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr für die häusliche Versorgung Schwerkranker zur Verfügung steht, genauso wie das Team von Professor Lukas Radbruch, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Deshalb sprach der Professor und Klinikleiter in Bonn jetzt auch bei der Feier zur offiziellen Eröffnung des SAPV-Stützpunkts in Bad Neuenahr-Ahrweiler unter der Überschrift „Bis zuletzt zu Hause“ über die ambulante Palliativversorgung.

„Ich will nicht ersticken“, ist laut Radbruch einer der häufigsten Sätze seiner Patienten. Nicht nur da könne die SAPV helfen und gebe Betroffenen und Angehörigen Entlastung und Sicherheit, sagte der Professor, der sich gerade in Quarantäne befindet und daher per Video live zugeschaltet war. Beispielhaft beschrieb er Erfahrungen mit Luftnot, auf die die Palliativmedizin genauso gute (medikamentöse) Antworten habe wie auf Schmerzen. Wo es anders aussehe, speziell bei Appetitverlust oder Gewichtsabnahme, „besprechen wir mit Patienten und Angehörigen, was sie eigentlich daran erschreckt“. Durch Aufklärung, dass sie nicht essen müssten, wenn sie nicht wollten, nehme man vielen den Druck, und teilweise könnten sie dann sogar wieder leichter etwas essen. Wesentlich sei auch, Speisen nicht mehr nur als Nahrungsquelle zu sehen, sondern, dass diese auch mit angenehmen Erinnerungen und Zuwendung verbunden seien, was zuweilen wichtiger sei als Kalorien.

Fachmann hält Kommunikation für sehr wichtig

„Die Fähigkeit zu kommunizieren ist in der Palliativmedizin mindestens genauso wichtig wie die Kenntnis der richtigen Medikamente und Dosierungen“, berichtete er aus seinem Fachgebiet. Analog sieht der Palliativmediziner die Frage nach Suizidhilfe „als Kommunikations-, nicht als Handlungsaufforderung“. Auf die Frage nach dem Grund für den Todeswunsch folge oft die Antwort: „Ich möchte anderen nicht zur Last fallen.“ Als Palliativmediziner respektive er den Todeswunsch, werte aber nicht oder helfe gar bei der Umsetzung, sondern widme sich den Alternativen, um die derzeitige Situation zu verbessern, etwa durch Medikamente, Begleitung, Einbeziehung von anderen Therapeuten oder palliative Sedierung. „Unser Job ist, dass wir dableiben.“

Radbruch warnte aber auch vor einer Professionalisierung oder Auslagerung des Umgangs mit Sterben und Tod aus der Gesellschaft. In diese Themen müssten alle einbezogen werden. Da wiederum könnten SAPV-Teams darüber informieren, „dass Menschen nicht mehr ins Krankenhaus wegtransportiert werden, sondern bis zum Tod zu Hause bleiben können, mit der Familie und mit den Nachbarn in der Umgebung. Dazu gehört aber auch, dass man Nachbarn und Familie einbinden kann in die Versorgung, sie schult und anleitet, und auch deren Bedürfnisse berücksichtigt.“

Aktuell sind 17 Patienten eingeschrieben

„Heilfroh“ ist Radbruch, dass es nun auch eine SAPV im Kreis Ahrweiler gibt. Der Weg dahin war steinig, wie Ulrike Dobrowolny, Vorsitzende des Hospiz-Vereins ausführte. Wirtschaftliche Risiken, die Personalnot im Gesundheitswesen und die Größe des Versorgungsgebiets, das gemäß Vorgabe der Politik auch die Vordereifel und Mayen umfasst, schreckten ab. Dennoch wagen es nun der Hospiz-Verein Rhein-Ahr, die v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel und die Marienhaus GmbH, die gemeinsam bereits das stationäre Hospiz in Bad Neuenahr-Ahrweiler betreiben. Dobrowolny sagte: „Entscheidend war die Bereitschaft der Hospiz-Vereine in Koblenz und Mayen, sich an der Versorgung des Gebiets zu beteiligen.“ Maria Heine, Geschäftsführerin der Marienhaus GmbH, dankt insbesondere dem neuen SAPV-Team, das so viele Stolpersteine ausgeräumt habe und es nun „Menschen in fragilen Lebenssituationen“ ermögliche, bis zuletzt in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben.

Im April hat der SAPV-Stützpunkt in Bad Neuenahr-Ahrweiler seine Arbeit aufgenommen, wie die Leitende Ärztin Heide Brumhard ausführte: „Seitdem nimmt die Zahl der Patienten-Anfragen stetig zu und die Patientenbetreuung nimmt Fahrt auf.“ Aktuell seien 17 Patienten in die SAPV-Versorgung eingeschrieben. Das Team besteht aus vier festangestellten Ärzten und sechs weiteren Ärzten, die bei der 24-Stunden-Rufbereitschaft unterstützen, sowie fünf speziell ausgebildeten Mitarbeiterinnen in der Pflege. Und es würden noch weitere Kräfte gesucht. Aktuelle Untersuchungen am Beispiel von Nordrhein-Westfalen zeigen laut Brumhard, dass 95 Prozent der Menschen sich ein Sterben im vertrauten oder persönlichen häuslichen Umfeld wünschen, und dass dieses Ziel bei 86 Prozent dieser Menschen dank SAPV erreicht werden konnte. „Zudem konnte bei den durch SAPV betreuten Patienten eine Linderung der Symptomlast nachgewiesen werden, was ein mit einer Verbesserung des Wohlbefindens und der Lebensqualität bei den erkrankten Menschen verbunden ist“, so Brumhard. Durch SAPV könne auch die Anzahl wiederholter Krankenhausaufenthalte deutlich reduziert werden, sagte er und räumte mit Vorurteilen, dass die SAPV bereits in die Versorgung des Patienten involvierte Leistungserbringer verdrängen könnten, auf: „Die SAPV arbeitet in Ergänzung zu den bereits betreuenden Haus- oder Fachärzten und zu den ambulanten Pflegediensten und anderen Diensten des Gesundheitswesens.“ Brumhard war zuversichtlich, „dass sich die Integration der SAPV in unser Versorgungsnetz für schwerkranke Menschen rasch fortsetzen und bald nicht mehr aus dem Gesundheitssystem der Region und bei ihren Bürgern wegzudenken sein wird.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort