Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth besucht flutgeschädigtes Amtsgericht in Ahrweiler

Bad Neuenahr-Ahrweiler · Das Amtsgericht in Ahrweiler wurde bei der Flut stark beschädigt. Jetzt gab es dort Besuch von Deutschlands höchstem Richter. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, hat sich ein Bild vom Wiederaufbau gemacht.

 Tauschen sich vor den neuen Aktenschränken im Keller das Ahrweiler Amtsgerichts aus (von links): Doris König, stellvertretende Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth, Amtsgerichtsdirektorin Susanne Dreyer-Mälzer und der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP).

Tauschen sich vor den neuen Aktenschränken im Keller das Ahrweiler Amtsgerichts aus (von links): Doris König, stellvertretende Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth, Amtsgerichtsdirektorin Susanne Dreyer-Mälzer und der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP).

Foto: ahr-foto

Nur sechs der etwa 40 Bediensteten des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler schaffen es am 15. Juli 2021 zum Justizgebäude in der Wilhelmstraße. Dort finden sie eine Schlammwüste vor. Im Keller des um 1900 errichteten Hauses steht das Wasser, genauer eine mit Fäkalien verseuchte Brühe, 1,5 Meter hoch. Das Erdgeschoss ist bis zu einem Meter geflutet, die Telefonanlage zerstört. Dabei liegt das Gebäude nicht einmal im ausgewiesenen Hochwassergebiet. Die Ahr ist etwa 500 Meter entfernt.

Rund anderthalb Jahre nach der Katastrophe zeigt sich Amtsgerichtsdirektorin Susanne Dreyer-Mälzer am Montag gastfreundlich. Den Personenschützern, die vor dem Sitzungssaal warten, reicht sie Orangensaft. Die Anwesenheit der Männer hängt nicht etwa mit einem besonderen Prozess zusammen, bei dem es Beteiligte zu beschützen gilt. Vielmehr gehören sie zum hohen Besuch, der gekommen ist. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts und ehemalige Fraktionsvize der CDU im Bundestag, Stephan Harbarth, macht sich ein Bild von den Folgen der Katastrophe und vom Wiederaufbau im stark von der Flut getroffenen Ahrweiler Jusitzgebäude. „Wir kämpfen für den Rechtsstaat vor Ort“, betont Harbarth. Der Chef des Verfassungsgerichts verweist auf das „unermessliche Leid der „fürchterlichen Katastrophe“. Begleitet wird Harbarth von seiner Stellvertreterin am höchsten Gericht Deutschlands, Doris König, und Landesjustizminister Herbert Mertin (FDP), der das Gericht kürzlich schon einmal besuchte (der GA berichtete).

Die Schicksale der Menschen aus Bad Neuenahr-Ahrweiler

Mindestens 134 Menschen haben bei der Flut im Juli 2021 ihr Leben verloren, mehr als die Hälfte davon stammt aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Von der Flut betroffen ist auch eine Reihe von Mitarbeitern des Amtsgerichts. Im persönlichen Gespräch mit Harbarth schildern sie ihre Erlebnisse. Die Presse bleibt dabei draußen.

Vorher, vor den versammelten Journalisten, lobt Dreyer-Mälzer die Justiz in Rheinland-Pfalz für den Umgang mit der Katastrophe. Diese habe „ein gutes Bild“ abgegeben. „Es ist uns gelungen, den gesetzlichen Richter immer zu gewährleisten“, äußert sich Dreyer-Mälzer mit Blick auf das Grundrecht, das festlegt: Für Rechtsstreitigkeiten muss schon im Voraus klar sein, welches Gericht zuständig ist. Die erste Sitzung nach der Flut habe es schon am 9. August 2021 gegeben. Damals ging es um eine Scheidung. Das Ehepaar, so Dreyer-Mälzer, habe es eilig gehabt. Der Betrieb war damals ihr zufolge noch ziemlich provisorisch, mit Laptops, statt PCs und Smartphones statt Festnetztelefonen. Normalisiert hätten sich die Abläufe im Gericht zwischen Mitte September und Mitte Oktober 2021.

Doch was heißt schon normal? Zu spüren sind die Folgen der Flut im Amtsgericht bis heute. So befindet sich die Arrestzelle aktuell im Dachgeschoss. Die eigentlichen Zellen im Keller, hofft Dreyer-Mälzer, sollen bis April oder Mai wieder zur Verfügung stehen.

Viele Akten durch Wasser beschädigt

Und dann ist da noch die Sache mit den Akten. Ungefähr 1750 laufende Regalmeter sind bei der Flut beschädigt worden. Das ist etwa ein Drittel des gesamten Aktenbestands am Amtsgericht. Diese Akten wurden eingefroren und ins Landeshauptarchiv Koblenz (200 laufende Regalmeter) sowie zu einer Fachfirma nach Troisdorf (600 laufende Regalmeter) gebracht. Bis sie aufbereitet und gereinigt sind, kann es laut Dreyer-Mälzer fünf bis sechs Jahre dauern. Komplett digitalisiert werden können die Akten des Amtsgericht künftig nicht. „Das wäre schön, ist aber nicht finanzierbar“, so Justizminister Mertin mit Blick darauf, dass dies dann an allen Gerichten im Land geschehen müsste.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort